Chrom-Picolinat: Gut oder Böse? Und warum wird es überhaupt genutzt?

Chrom – sehr wichtig für den Insulin- und Glukose-Stoffwechel – aber nicht alle Verbindungen sind gut. Quelle: Pixabay

Bei der Recherche zu meinen Chrom-Artikel bin ich darüber gestolpert, das es beim Chrom-Picolinat (-> einer der beliebtesten Chrom-Verbindungen) wohl einiges an Studien gibt, die ‘nicht so toll’ sind.

Das BfR (Bundesamt für Risikobewertung) hatte bereits in 2004 von der Verwendung von Chrom-Picolinat (also nur dieser einen speziellen Form) in Bezug auf den damaligen Forschungsstand abgeraten [1]:

Chrompicolinat sollte nicht eingesetzt werden.

Schon damals lagen nach BfR mehrere Fallstudien am Menschen vor, die auf eine Reihe nachteiliger Effekte hinwiesen.

Von der EFSA (European Food Safty Agency) gibt es zwei Dokumente, eines aus 2006 [2] – das andere aus 2009 [3]. Eines berichtet kritisch in Bezug auf Chrom-Picolinat – basierend auf einigen Forschungsergebnissen & Studien [2]. Das andere Dokument relativiert die Kritik etwas, da eine Langzeit-Studie des US-NTP (Nationales Toxikologischen Programm) in 2008 mit Mäusen und Ratten nach 2 Jahren zumindest kein Krebs gefunden hatte. Basierend auf den verfügbaren Daten konnte jedoch kein endgültiger Schluss über das genotoxische Potenzial von Picolinsäure gezogen werden [3].

Meine Fragen waren nun:

  • Warum also setzten so viele NEM-Hersteller, u.a. in Deutschland und der EU Chrom als Picolinat ein?
  • Hat die Studienlage das Chrom-Picolinat inzwischen rehabilitiert?
  • Habe ich irgend etwas übersehen?

… schlussendlich glaube ich, das ich die Antwort gefunden habe.

Einführung: Mal mehr toxisch – mal weniger oder gar nicht – was gilt nun?

Êine neuere Meta-Studie aus 2012 [4] geht sehr kritisch mit dem Picolinat um, da in 1999 (Speetjens et al.) [4] und anderen Studien wohl festgestellt wurde, das u.a. in Zell-Kulturen DNA Schädigungen durch Entstehung von Hydroxyl-Radikalen auftraten – und dieses speziell bei der Verwendung von Chrom-Picolinat (CrPic) [4][5]. Hier mag man zu recht einwenden, das in Zellkulturen viel passiert – speziell bei den oft verwendeten hohen Dosierungen.

Zudem akkumulieren Organismen die CrPic ausgesetzt sind wohl intrazellulär Cr3+ Ionen welche zu genotoxischen Effekten führen können. In der Literatur sind denn auch Probleme (Nieren- und Leberschädigung) nach der Einnahme von CrPic dokumentiert. Letztere müsste man genau analysieren, was ich jedoch nicht getan habe.

Zudem bestehen auch bedenken wegen Beeinträchtigungen von Neutrotransmittern und beobachteter Zell-Apoptose bei Diabetikern [3]. Aus der Meta-Studie [3]:

“A growing body of case reports warns against adverse health outcomes assigned to CrPic dietary application, whereas by others, they are interpreted as ‘anecdotal reports’ []. Hence, case reports have described acute kidney failure, liver damage and anaemia by taking high dosage of CrPic as a dietary supplement [,]. Adverse cutaneous reactions to CrPic supplements have also been described [].”

Das wiegt für mich dann schon schwerer, wobei auch hier zu prüfen wäre, ob es nun genau am CrPic lag – oder an anderen Faktoren der bereits erkrankten.

Neben dem neueren EFSA-Bericht [3], relativiert dann auch eine Zusammenfassung vom Linus Pauling Institut (LPI) [6] einige der ‘Vorwürfe’ in soweit, das sie wohl primär Zell-Kulturen betreffen. Es wird eine ältere Studie von 1998 angegeben [7], welche angeblich keine Probleme in Hinblick auf oxidativen Stress in Zellen unter Verwendung von CrPic gefunden hat. Das kann aber auch bedeuten das man nur nicht genau genug geschaut hat. Abschließend wir jedoch von LPI eine Studie aus 2003 zitiert, welche mit dem Fazit endete [8]:

“Given that in vitro studies suggest that other forms of chromium used as nutritional supplements, such as chromium chloride, are unlikely to be susceptible to generating this type of oxidative damage, the use of these compounds, rather than Cr(pic)(3), would appear warranted.

Meint: Es gibt andere Formen von Chrom, welche nicht so kontrovers sind – warum sollte man hier das (potentielle) Risiko von Chrom-Picolinat eingehen?

Anfragen an NEM-Hersteller, welche Picolinat nutzen..

waren aus meiner Sicht eher unergiebig. Es erfolgen Hinweise darauf, das diese Substanz in der EU zugelassen ist, sowie Verweise auf das EFSA Dokument aus 2009 [3] mit Bezug auf die US NTP-Studie. Andere verwiesen auf die große Verwendung von Chrom-Picolinat in vielen klinischen Studien, ohne das (größere) Problem bekannt sein bzw. die kleine Menge und die vielen anderen Risiken des täglichen Lebens.

Sicher – man kann sich fragen ob das ggf. theoretisch mögliche Gefahren-Potential von Chrom-Picolinat – in kleinen Dosen um 50-300 µg – in Relation zu einem Schokoriegel, einem Kaffee oder dem Elektrosmog aus einem 2 minütigen Smartphone-Telefonat nicht absolut verschwindend gering bzw. komplett nebensächlich ist. Einschätzen kann ich das nicht, wobei ich beim Mobilfunk-Telefonat von 20 Minuten klar davon ausgehe das dieses schädlicher ist, als eine Einzeldosis 100 µg Chrom-Picolinat. Das ist aber der Grund, warum ich nicht mehr Mobil telefoniere und kein WLAN nutze.

Aber die andere Frage ist: Muss es unbedingt das Chrom-Picolinat sein, wenn es Formen gibt die anscheinend sicherer sind?

Etwas Recherche zu Chrom-Formen, Picolinat, Rohstoff-Preisen & Co.

In der EU sind nur 4 Formen von Chrom zulässig – ziemlich wenig:

  • Chrom angereicherte Hefe (Organisch)
  • Chrom-Picolinat (Synthetisch, Organisch)
  • Chrom(III)chlorid (Anorganisch)
  • Chrom(III)sulfat (Anorganisch)

Die Auswahl ist bescheiden, weil die zwei anorganischen Formen wohl im Vergleich zu den Organischen nicht gut bioverfügbar sind (0,4-2% zu 10-25% [9]). So sind 100 µg Chromsulfat wohl effektiv nur so gut wie 10 µg Chrom-Hefe oder Picolinat. Der Unterschieds-Faktor liegt wohl grob bei ca. 10 – was die Konsumenten vieler (billiger) Chrom-Produkte in falscher Sicherheit wiegen dürfte! Andere aus meiner Sicht sinnvolle Verbindungen, wie Chrom-(bis)glycinat ist leider in der EU nicht marktfähig (-> meint: zulässig).

Das bedeutet: Es bleiben also nur zwei sinnvolle Chrom-Varianten in der EU übrig.

Ist es nur der Preisunterschied?

Wer auf den Preis der beiden Chrom-Varianten schaut kommt ggf. ins grübeln:

  • Chrom-Hefe kostet in ‘Kleinmengen’ um 5 Kg ca. 120€ das Kilo
  • Chrom-Picolinat kostet in Kleinmengen ca. 190€ das Kilo

Chrom-Hefe ist also günstiger als Picolinat? Nein! Warum?

  • Chrom-Hefe hat ca 0,23-0,3% Anteil an Chrom
  • Chrom-Picolinat hat ca. 12,1-12,8% Anteil an Chrom

Das bedeutet, das ich für 100 µg Chrom

  • 43,4 mg Chrom-Hefe (bei 0,23%) bzw.
  • 826 µg Chrom-Picolinat (bei 12,1%) benötige.

Der Unterschied bei der Brutto-Menge ist also ca. Faktor 52! Was bedeutet das?

Es bedeutet, das Chrom-Hefe pro µg Chrom ca. 33 mal teurer ist als Chrom-Picolinat.

Aber macht das bei wenigen Milli- oder µg überhaupt was aus? Mal ein Beispiel zu einer NEM-Dose mit 100 Kapseln zu 100 µg Chrom:

  • Chrom-Hefe = 100 * 43,5 mg  = 4,34 g = ca. 0,52€
  • Chrom-Picolinat = 100 * 826 µg = 82,6 mg = ca. 0,16€

Also um die 40 Cent Unterschied beim Einkauf bzw. für den Hersteller des NEM – und das bei nur 100 µg und 100 Kapseln. Zu den Herstellungskosten kommen ja noch Kosten für Produkt-Entwicklung, Prüfungen, Aufkleber, Versand, Lager, Vorfinanzierung, Marketing, Vertrieb, Buchführung, Steuerabschlüsse, Steuern, etc. Zu guter letzt kommt auch noch die Mehrwertsteuer mit meist 7% auf den Produktpreis.

Wer wirklich scharf kalkuliert wird die reinen Materialkosten am Ende (und vor Kunde) grob verdoppeln oder verdreifachen müssen – um etwas über zu haben. Die 40 Cent Mehrkosten würden – mal angenommen meine Annahmen stimmen halbwegs – das Produkt vor Kunde ca. 1€ (oder etwas mehr oder weniger) extra kosten dürfte. Im Falle eines Multivitamin gibt es dann ja noch viele andere Komponenten die Kostentreibend sind – ich erinnere hier nur an die Kontroverse mit Folsäure (ca. 50€ / Kilo) und Methylfolat, z.B. Quantrefolic (ca. 15.000€ das Kilo).

Weite Abwägungen: Platz & Verunreinigungen

In eine Kapsel Gr. 00 passen meist um die 600-750 mg Wirkstoff. Bei 100 µg Chrom-Hefe wären dies schon 43 mg – recht viel. Wer hier in einem Multi-Präparat noch anderes in der Kapsel unterbringen möchte kommt ggf. in das Grübeln, speziell, da es auch Supplemente mit bis zu 300 µg an Tagesdosis Chrom(-Picolinat) gibt -> das wären dann fast 130 mg alleine nur für das Chrom – schon eine Menge Platz(verbrauch) in der (oder den) Kapsel(n).

Alternativ könnte auch nich eine mikrobielle Thematik gegen die Chrom-Hefe sprechen. Diese wird ja als Hefe in einer Kultur gezogen und bekommt Chrom als “Futter”. Verunreinigungen in Bezug auf Toxine, Schimmel, Pilze & Co. sind hier eher vorstellbar als beim Chrom-Picolinat.

Mein Fazit

Ich denke, das die Alternative, Chrom-Hefe [9], (oft) keine ist – weil diese relativ teuer im Einkauf ist, eine potentuelle mikrobielle Thematik hat und auch mehr Platz in den Kapseln benötigt. Alternativ, und das schließe ich keineswegs aus, haben einige NEM-Hersteller (aus meiner Sicht) Ihre Hausaufgaben bei der Recherche nicht gemacht.

Ob der Kunde eines NEM gerne mehr Geld für die Chrom-Hefe ausgegeben hätte? Das weiss keiner – speziell wenn dem Kunden der Unterschied nicht transparent ist. Ähnlich sieht es ja auch beim Folsäure und Methyl-Folat aus. Beide sind ebenfalls in der EU zulässig, aber die Folsäure (u.a. in einigen Cornflakes & vielen Schwangerschafts-NEM) hat gegenüber dem Folat klar belegte Nachteile. Allerdings ist das schädliche Potential bei der Folsäure aus meiner Sicht zweifelsfrei belegt – was diese für mich kritischer macht als Chrom-Picolinat, da beim Picolinat hier berechtigte Zweifel an einer relevanten Schädlichkeit bestehen.

Die Studienlage von Chrom-Hefe habe ich zwar nicht im Detail betrachtet, jedoch scheinen mir die Hefen, wie auch bei Selen-Hefe, ein guter Ansatz mit einer hohen Bioverfügbarkeit und Effektivität, welche sich (meiner Lesart nach) beim Blutzucker wohl in Richtung Metformin bewegt und, je nach Chrom-Hefe Art und Trocknung, wohl besser ist als die von CrPic (zumindest in diabetischen Mäusen) [9].

Nichts ohne Einschränkungen

Dass das BfR (und andere) mit Seinen bzw. Ihren Schlussfolgerungen nicht richtig liegen muss – darauf möchte ich auch hinweisen. Das BfR empfiehlt ja auch nicht mehr als 60 µg Chrom pro Tag als NEM zu sich zu führen, wobei EFSA und an das US-FNB keine Grenzwerte festlegen konnten oder wollten, weil Chrom(III) wohl recht unproblematisch erscheint. Die EFSA verweist zwar noch auf eine Empfehlung der WHO mit maximal 250 µg / Tag – aber geht nicht auf deren Zustandekommen ein.

Aus meiner rein persönlichen Sicht ‘überdramatisisert’ denn auch das BfR sehr oft bei der ‘potentiellen’ Gefahr von Nahrungsergänzungsmitteln – bleibt (aus meiner Sicht) jedoch bei den klar problematischen Substanzen wie Glyphosat und anderen eher untätig bzw. relativiert:

“Das BfR wiederum äußert „große Bedenkengegen das Verbot der Stoffe wegen der „bedeutenden wirtschaftlichen Folgen“. Die WHO dagegen befand, endokrine Disruptoren stellten eine „globale Bedrohung“ dar.”

Wirtschaftliche Überlegungen haben dann auch bei Cadmium in der Schokolade sowie Arsen im Reis auch schon Rollen gespielt – nicht unbedingt auf Bestreben des BfR – aber dann auf Bestreben der entsprechenden EU-Behörden…

Was (würde ich ) nun machen?

Als End-Fazit würde ich selber von der Verwendung von Chrom-Picolinat absehen, soweit eine Wahl besteht. Falls irgend wo mal Chrom-Picolinat enthalten ist wäre das auch o.k. – wenn ich so etwas nur unregelmäßig, zeitbegrenzt und in kleinen Dosierungen (<100 µg) zuführen würde. Ohne Chrom-Mangel pauschal, z.B. über ein Multivitamin, täglich Chrom-Picolinat zu sich zu nehmen, teils bis 300 µg/Tag, das halte ich jedoch für keine so gute Idee, weil es sinnfälligere Alternativen gibt.

 


Links/Quellen

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