Buchkritik: Potatoes not Prozac von K. DesMaisons

Buch: Potatoes not Prozac - DesMaisons

Buch: Potatoes not Prozac

In meinem Artikel über Gemüse zum Frühstück hatte ich ja schon das Buch Prozac not Potatoes von K. DesMaisons erwähnt. Es ist der Grund warum ich u.a. proteinreiches und stärkefreies Gemüse zum Frühstück esse, was wiederum auf Silke Rosenbusch zurück geht, welche sich u.a. mit der Sucht nach Süßem beschäftigt hat. Endlich habe ich mir die Zeit genommen auch mal die Quelle zu lesen.

Grundsätzlich geht es bei DesMaisons und auch Frau Rosenbusch um die Auswirkung von süßem, also insb. schnellen Kohlenhydraten wie z.B. (raffinierten) Einfachzuckern und Alkohol, auf das emotionale und psychische Wohlbefinden. Ich würde mich nun nicht unbedingt als Zuckersensitiv betrachten – aber wenn ich mal anfange einen Keks, eine Dattel, Rosinen oder eine Feige (hat alles viel schnell verfügbare einfache Kohlenhydrate), etc. pp zu essen – dann bleibt es selten bei einem Stück 🙂

Ansonsten bin ich froh, das ich nicht die Problem habe die Frau DesMaisons in dem Buch beschreibt und über die dort Menschen berichten – es hilft mir besser die Situation von Menschen zu verstehen bei denen ich vorher dachte: ‘Warum bekommst Du das nicht hin? Iss oder trink den ungesunden Kram doch einfach nicht!?’ .

Der Hintergrund

DesMaisons beschreibt anfangs in dem Buch Ihre eigene Geschichte – Stimmungsschwankungen (ala Dr Jekyll & Mr. Hyde), Übergewicht, etc. pp – welche die Motivation für Reise nach den Ursachen war. DesMaisons war lange im Bereich öffentliche Gesundheit und danach in der Suchtbehandlung von Alkoholiker aktiv. Die Sucht-Thematik ließ sie nicht los, worüber Sie dann selber Promovierte – insb. wie sich die Ernährung auf Alkohol- und Zuckersüchtige auswirkt und wie eine Ernährung aussehen muss um den Menschen hier zu helfen.

Um das zu verstehen ist es wichtig zu wissen, das Menschen (und auch Mäuse) die Alkohol und Zuckersüchtig/sensitiv sind einen genetischen Unterschied aufweisen. Dabei geht es um das Verständnis das Zucker wie eine Droge (ala Morphium bzw. Heroin) funktioniert und die Gehirnchemie unmittelbar beeinflusst – und das bei einigen Menschen eben deutlich stärker.

So erklärt das erste Kapitel (Dr. Jekll and Mr. Hyde) die wissenschaftlichen Zusammenhänge und Auswirkungen der Zuckersensitivität.

Bist Du Zuckersensitiv?

Kapitel 2 geht dann darauf ein was Zuckersensitivität bedeutet und ob man ggf. selber davon betroffen ist und stellt einige Fragen wie z.B. (Übersetzt):

Stell Dir vor Du kommst nach hause und gehst in die Küche. Dort steht ein Teller mit warmen Schokoladen-Keksen, welche gerade aus dem Ofen gekommen sind. Du riechst den Duft der Kekse bereits als Du die Wohnung betreten hast. Du bist nicht hungrig & keiner ist da. Was machst Du?

DesMaisons schreibt das Menschen die nicht zuckersensitiv sind dann eben nicht zu einem (oder mehreren) Keksen greifen. Im weiteren Verlauf des Kapitels hat Sie noch eine Checkliste um zu helfen wirkliche Zuckersensitivität festzustellen.

Es ist nicht deine Schuld

In Kapitel 3 macht DesMaisons klar das es nicht die Schuld der Zuckersensitiven ist das Sie zuckersensitiv sind. Es hängt mit genetischen bzw. veranlagten Faktoren zusammen, so das sich Zucker bei diesen Menschen insb. auf:

  • Den Blutzucker-Spiegel
  • den Serotonin-Wert im Gehirn und
  • den Beta-Endorphin-Wert im Gehirn

auswirkt. Dies kann große Auswirkungen auf Wohlbefinden und emotionalen Zustand haben. So sind oft die Kinder von Zuckersensitiven oder alkoholabhängigen Eltern ebenfalls oft davon betroffen. Dann folgen einige Tabellen die die Gefühlswelt und den Befinden bei optimalen und niedrigen Blutzucker erklären (u.a. einfach frustriert, Müde oder Rastlos, Vergesslich oder schnell ärgerlich).

Danach geht es mit Serotonin weiter, was bei niedrigen Werten depressive Verstimmungen, schlechter Impulskontrolle, Selbstmordabsichten und insb. Verlagen nach Alkohol, süßen Dingen und einfachen Kohlenhydraten (u.a. Weißbrot, Pasta, Kekse) auslösen kann.

Zuguterletzt kommt Beta-Endorphin an die Reise, was sehr wenig Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion genießt. Niedriges Beta-Endorphin löst ebenfalls Depressionen und Impulsivität aus und die Menschen fühlen sich oft schikaniert. Das geht dann noch zusammen mit wenig Schmerztoleranz, Selbstbewusstsein, Isolationsgefühlen, Hoffnungslosigkeit, Zuckersucht sowie emotionaler Überforderung.

Dann bespricht DesMaisons noch die kombinatorischen Effekte der einzelnen Mangelerscheinungen – das hier auszuführen führt allerdings zu weit 😉

Die Auswirkungen des Hochs und Tiefs des Blutzuckers

… ist dann der Inhalt des 4ten Kapitels. Hier wird dann auch das erste mal darauf eingegangen, warum drei Mahlzeiten am Tag so wichtig sind um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten- und wie die Ernährung bzw. zu große Phasen ohne Essen bzw. das Auslassen des Frühstück für Folgen haben.

Gehirnchemie 1-0-1

Dies war für mich das spannendste Kapitel (Nr. 5). Ich versuche mich hier an einer kleinen Zusammenfassung des Kapitels – damit ich selber besser im Kopf behalte 😉

Also, das Gehirn kommuniziert mithilfe von Neurotransmittern zwischen den einzelnen Zellen (Synapsen). Zwei wichtige Botenstoffe sind dabei Serotonin und Beta-Enrophin. Für die Kommunikation kann dann eine Zelle einen Botenstoff aussenden – und eine andere Zelle kann diese Rezeptoren (quasi viele kleine Landeplätze) Empfangen. Dabei sind die Rezeptoren immer für bestimmte Botenstoffe ausgelegt. Endorphin-Rezeptoren für Endorphin Botenstoffe, etc. pp. (Seite 64).

Wo Beta-Endorphin hauptsächlich mit Schmerz zusammenhängt ist es bei Serotonin die Stimmung und das Verhalten. Bei Zuckersensitiven sind nun die Botenstoffe außer Balance, z.B. ist der Serotonin-Spiegel so niedrig -das die Impulskontrolle für das “Stop” etwas zu essen obwohl man gar keinen Hunger hat – versagt (Seite 66).

Nachdem die Neurotransmitter nun den Rezeptor erreicht haben fließen Sie zurück in den Zwischenraum zwischen den Zellen – bereit zur Wiederverwendung. Nun kann es aber zu einer Überstimulation kommen – und dafür gibt es im Gehirn Mechanismen (Enzyme), die quasi Staubsauger für die nicht mehr gebrauchten Neurotransmitter spielen können (Quasi ein kleiner Pac-Man) (Seite 67).

Nun gibt es drei Mechanismen bei denen etwas schief gehen kann – also die Dinge aus der Balance geraten:

  1. Abwärts-Regulierung (Downregulation)
  2. Aufwärts-Regulierung (Upregulation) und
  3. Entzug (Withdraw)

Die Abwärtsregulierung (1.) passiert wenn zu viel des Guten an Neurotransmittern ausgeschüttet werden – z.B. bei einem Drogensüchtigen. Es ist ein Gewöhnungsprozess bei dem nach und nach die Anzahl der Rezeptoren (Empfangsseite) verringert werden. Dies ist auch der Grund, warum Süchtige immer weiter und weiter die Dosis steigern müssen um das gleiche Erlebnis wie am Anfang zu haben.

Die Aufwärsregulierung (2.) arbeitet genau anders herum – wenn die Spiegel und Serotonin oder Beta-Endorphin zu niedrig sind, dann bilden sich mehr Rezeptoren am Empfänger – damit die Chance Neurotransmitter einzufangen vergrößert wird. Wenn sich nun aber ein zuckersensitiver Mensch mit niedrigen Serotonin-Spiegel bereits in der Aufwärtsregulierung seines Systems befindet – dann wirken z.B. Medikamente wie z.B. Prozac, extrem stark. Auch Alkohol kann verheerende Folgen für solche (also Zuckersensitive bzw. Kinder von Alkoholikern) Menschen haben – da auf einmal die Serotoninausschüttung stark angefacht wird.

Beim Entzug (3.) beschwert sich quasi das Gehirn das sich an eine Substanz gewöhnt hat – Kopfschmerzen, Durchfall, Gelenkschmerzen, etc. pp. können die Folge sein. Wird die Substanz wieder zugeführt schwinden die Beschwerden oft sehr schnell, was auch ein Anzeichen für eine physische Stoffabhängigkeit ist (Seite 71).

Dann wird noch weiter auf die Botenstoffe – und wie Antidepressiva wirken eingegangen. Danach ist die Wirkung von Zucker an der Reihe mit einem Exkurs bezüglich dem Verhalten von zwei Gruppen von Mäusen, bei denen eine von Geburt an einen niedrigen Beta-Endorpin Spiegel im Gehirn hat (C57 Mäuse) und dieses versucht mit einer Aufwärtsregulierung zu kompensieren. Darüber werden dann verschiedene Verhaltensweisen und Symptome erklärt in die zuckersensitive Menschen fallen können – z.B. bei Entzug, bei Gefahren, Zuckergabe in Bezug auf Hyperaktivität, etc.

Dies ist definitiv nicht das Kapitel für die, die auf praktische Weise einfach Ihre Alkohol- oder Zuckersensitivität in den Griff bekommen wollen. Es schafft aber Verständnis dafür warum der Alkohol- und/oder Zuckerabhängige in seiner misslichen Lage ist. Und das hat oft nichts mit vermeintlicher Charakterschwäche, zu wenig Wille, etc. pp. zu tun – sondern mit Biochemie und (epi-)genetischen Faktoren!

“Getting Started”

Ab Kapitel 6 geht es dann in die Praxis mit folgende Schritten, die je ein weiteres Kapitel füllen:

  • Esse Frühstück mit Protein
  • Pflege ein Journal mit dem was Du und wann Du es isst + wie Du Dich danach fühlst
  • Esse drei Mahlzeiten am Tag
  • Habe eine Kartoffel vor dem Schlafen und nehme die empfohlenen Vitamine
  • Vermeide “Weiße Sachen” (Anm.: Weißbrot, weißer Reis, etc.) und esse mehr “Braune Sachen” (Anm.: Vollkorn)
  • Reduziere bzw. vermeide (raffinierte) Zucker komplett
  • Beginne das Leben (“Come Alive”)

Für jeden Schritt veranschlagt sie ca. 1 Monat. Es wird immer nur ein Schritt auf ein mal gemacht, damit sich auf die jeweilige Umsetzung und Gewöhnung des neuen Schrittes und die Auswirkungen konzentriert werden kann. DesMaisons erklärt in den Kapiteln sehr genau warum, wieso und untermauert das ganze noch mit Berichten Ihrer Patienten. Für mich teils schon zu ausführlich – aber ich denke für Menschen die genau diese Probleme haben sehr, sehr gut und einfühlend.

Wo ich mit DesMaisons nicht mitgehe sind z.B. die Essensempfehlungen – aber auch hier holt DesMaisons die Zuckersensitiven ab wo Sie stehen: Sie lässt alles zu (Fleisch, Eier, Milchprodukte) außer eben Zucker und die schnellen Kohlenhydrate.

Esse Frühstück mit Protein & die drei Mahlzeiten

Das ist letztendlich für mich eine sehr wichtigste Lektion. DesMaisons sagt ganz klar:

  • habe ein Frühstück (jeden Tag)
  • mit genug Protein für Dein Gewicht (ca. 1g pro Kg Körpergewicht am Tag – 1/3 davon morgens)
  • habe danach komplexe Kohlenhydrate (z.B. Haferflocken, braunen Reis, Kartoffeln mit Schale)
  • esse innerhalb einer Stunden nach dem Aufstehen

Warum Protein und insb. am morgen so wichtig ist, hatte ich schon in meinem anderen Blog-Beitrag erklärt. Hier nochmal die Zusammenfassung von Frau Rosenbusch:

Das ist aus zwei Gründen wichtig. Je mehr Eiweiß desto niedriger der glykämische Index, desto stabiler der Blutzucker desto länger ist man satt wegen des „Second Meal Effect“. Das andere ist, dass das Serotonin, der Neurotransmitter, dessen Fehlen depressiv macht und uns nach Zucker greifen lässt, aus der Aminosäure Tryptophan hergestellt wird. Je weniger Tryptophan, desto weniger Serotonin desto mehr Zucker will man! Jeder der dann irgendwann Obst frühstückt oder Smoothies, weil er Raw till 4 oder 80/10/10 macht und zuckersensibel ist, kriegt damit gravierende Probleme. Das Eiweiß im Frühstück fehlt und man kriegt alle Nase lang Hunger.

Die drei Mahlzeiten sind wichtig, damit der Blutzuckerspiegel kein Bungee spielt – also die Proteine & Kohlenhydrate immer nachgetankt werden.

Eine Kartoffel vor dem zu Bett gehen

Frau DesMaisons empfiehlt eine (gebackene, gekochte, etc. pp) Kartoffel mit Schale (auf die genaue Menge geht Sie im Buch ein) vor dem zu Bett gehen, idealerweise ca. 3h nach dem Abendessen, zu essen. Die Kartoffel darf aber nicht mit zusätzlich proteinhaltigen Dingen verzehrt werden!

Dies hat biochemische Hintergründe die folgendermaßen aussehen: Ziel ist es den Serotoninwert im Gehirn zu erhöhen – dazu benötigt es aber Tryptophan. Am Tage, während man auch genug/viel Protein isst, ist Tryptophan nur eine von vielen Aminosäuren, die irgendwann einmal an der Blut-Hirn Schranke vorbeischwimmt. Leider verliert dann oft Tryptophan das Spiel zum Übertritt in das Gehirn – die Auswahl an anderen Aminosäuren ist einfach zu groß.

Wenn nun aber der Insulinspiegel am steigen ist, dann möchte der Körper Muskeln aufbauen und braucht dafür viele Aminosäuren – Tryptophan interessiert dabei aber nicht. Eine Kartoffel, welche sehr gut vollwertige Kohlenhydrate liefert, lässt den Insulinspiegel steigen – aber ohne das Zuckersensitive angefixt werden. Dies hilft das Tryptophan besser die Blut-Hirn Schranke passieren kann und dann zur Serotoninproduktion – und einen guten Schlaf – bereitsteht. So habe ich es zumindest grob verstanden 😉

Abschluss & mein Fazit

Zum Ende gibt Frau DesMaisons noch weitere Tips wie man Dopamin, Serotonin, Beta-Endorphin und Blutzuckerspiegel im guten Bereich halten kann. Zusätzlich geht Sie auch noch einmal auf das Thema Alkoholsucht ein. Auch illustriert Sie verschiedene Aspekte mit Briefen von Menschen die Ihr Programm erfolgreich durchgeführt haben – in einer aufbauenden und unterstützenden Weise, wobei Sie auch auf individuelle Umwege zum Ziel eingeht.

Das vorliegende Buch ist meiner Meinung nach für Menschen geeignet die Zugang zum Thema suchen und die eigene Gefühls- und Emotionswelt deuten und verstehen möchten. manchmal ist eben die Biochemie (die durcheinander ist) stärker als der eiserne Wille. So gibt das Buch Hilfe und einen Plan vor, wie betroffene mit Ihrer Sensitivität durch die Umstellung der Ernährung viel besser umgehen können um das Leben neu zu entdecken.

Limitationen des Buches

Was ich schade fand, ist das Frau DesMaisons nicht auf andere Gründe für einen Serotonin- und/oder Dopamin-Mangel eingeht, wie z.B. eine NO-Synthase Entgleisung durch EMF, Chemikalien-Sensitivität oder einen Mangel an Vitamin B6 und Zink durch eine HPU. Ersteres führt zu einer Zerstörung von Tryptophan – letzteres dazu, das aus diesem weniger Serotonin und Melatonin gebildet werden kann.

Wer gerade in diesem Kontext tiefer einsteigen möchte – bzw. eine deutsche und viel tiefergehende Lese-Alternative sucht ist ggf. mit dem Buch von Frau Ross ‘Was die Seele Essen will’ [1] besser bedient.


Links / Quellen

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar