Selen: Ein wichtiger Co-Faktor für die Schilddrüse und Entgiftung – aber bitte keine Paranüsse oder Natrium-Selenit

Paranüsse - viel Selen & viel Radium + Barium!

Paranüsse – viel Selen & viel Radium + Barium! Foto: H.C.

In meinem Artikel zu Jod hatte ich bereits auf das Spurenelement Selen hingewiesen: Dies braucht der Körper für Herstellung von Schilddrüsen-Hormonen, jedoch auch viele andere Prozesse im Körper, u.a. die Reproduktion und Entgiftung, wie die Superoxid-Dismutase (SOD). Allerdings gibt es bei Selen einiges zu beachten, das z.B. in Deutschland die Böden oft arm an Selen sind. Import-Lebensmittel wie die Paranuss haben dann “andere Probleme” und bei Ergänzungsmitteln muss auf die richtige Form (-> Natriumselenit, Hefe- oder Methioninform) und die Dosis geachtet werden.

Folgende Themen möchte ich deswegen in diesem Artikel anreißen:

  • Deutschland – das Selen Mangel-Land (Böden)
  • Selen und die Gesundheit
  • Lebensmittel und der Selen-Gehalt
  • Paranüsse – Schimmel und Radioaktivität
  • Verschieden Formen von Selen – und deren Vor- und Nachteile
  • Selen und Entgiftung bzw. Interaktion mit Quecksilber (Hg)
  • Blutwerte & Selen
  • Dosierung, Nebenwirkungen und Grenzwerte von Selen

Am Ende des Artikels folgt mein übliches Fazit sowie ein paar Links auf Supplemente, die ich nutze oder genutzt habe.

Deutschland = Selen Mangel-Land

Meine Selenzufuhr nach Cronometer an einem'normalen' Tag.

Meine Selenzufuhr nach Cronometer an einem ‘normalen’ Tag.

Leider ist Deutschland ein Selen-Mangelgebiet, so das selbst bei Verzehr von großen Mengen an Gemüse, Getreide und Samen leicht ein Mangel oder eine Unterversorgung bei einer Ernährung ohne (an viele Selen haltigen) Fisch entstehen kann.

Ich selber hatte meinen Tagesverzehr bei Cronometer eingegeben und eher mit ach-und-krach, “gerade so”, den angegebenen Mindestbedarf an Selen von 55 µg (FDA) erreicht – an einem anderen Tag nur 47 µg. Selbst die DGE gibt hingegen als Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr für Erwachsene Männer 70 µg und für Frauen 60 µg an [1]. Zudem darf bezweifelt werden, dass diese Werte (-> DGE, FDA) in jedem Fall optimal sind, also z.B. bei starker Belastung des Körpers durch Stress, Krebs und Umweltgifte – hier insbesondere Quecksilber aus Amalgam-Füllungen.

Der bei mir, mit ach-und-krach erreichte Wert, basiert dann natürlich noch auf US-Amerikanischen Lebensmittelangaben, also was in den Lebensmitteln enthalten ist, und es darf davon ausgegangen werden das in deutschem Gemüse & Co. deutlich weniger Selen steckt. Wer also nicht unterversorgt sein möchte, der tut wohl gut daran sich diesbezüglich ein paar Gedanken über seine Ernährung machen – letzten Endes über Ergänzungsmittel. Die Alternative ist an Selen reicher – aber an Hg armen Fisch (z.B. Sardellen), was heutzutage aber kaum noch möglich ist – speziell noch für alleine die 80 Millionen Menschen in Deutschland. Ansonsten müsste der oder diejenige mehr Fleisch bzw. Innereien essen – auch nicht immer eine gute Wahl, wenn man auf die dafür nötigen Mengen schaut.

Selen und Gesundheit

Das National Institute of Health (NIH) [7] in den USA listet Selen als präventiv vorteilhaft u.a. für folgende Dinge bzw. Organe:

  • Krebsprävention: Dies wohl wegen der Effekte von Selen bezüglich der DNA Reparaturmechanismen, des programmierten Zelltodes (Apoptose) sowie seiner Wirkung auf das Hormonsystem (Endokrin), dem Immunsystem und seiner antioxidative Wirkung.
  • Herz-Kreislaufsystem: Proteine des Selens helfen die das Fettsäuren nicht oxidieren, sie reduzieren Entzündungen und verhindern das Blutplättchen verklumpen.
  • Gehirnleistung: Es wird vermutet das der fallende Selen-Status im Alter im dem Niedergang der Gehirnfunktion in Zusammenhang steht,
    • möglicherweise wegen seiner antioxidativen Wirkung.
  • Schilddrüsenfunktion: Die Selen-Konzentration in der Schilddrüse ist höher als anderswo im Körper.
    • Und genauso wie Jod hat Selen eine sehr wichtige Rolle in der Hormonsynthese (u.a. T3, T4) der Schilddrüse.

Selen ist sogar so wichtig, das die amerikanische FDA [6] Selen auf die Liste der nötigen Zugaben für Babynahrung gesetzt hat. Ggf. trägt ja auch der Selen-Mangel dazu bei, das gefühlt ein drittel der Deutschen angeblich eine (zumindest latente) Schilddrüsenerkrankung (-> Unterfunktion) haben soll.

Lebensmittel und der Selen-Gehalt

Wo ist nun Selen enthalten? Selen findet sich u.a. in Fisch, Leber, Ei, Käse und Fleisch. Allerdings sind die zu verzehrenden Mengen da schon etwas größer: z.B. 1 Ei + 100 g Fleisch und 2 Scheiben Käse bringen ca. 70 µg Selen – zumindest in den USA. Allerdings überschreitet man damit selbst die Empfehlungen der DGE bezüglich der Zunahme tierischer Produkte (max. 2-3 Eier/Woche und 35 g Fleisch am Tag). Zu bedenken ist zudem, das in Deutschland auch das Futter der Tiere Selenarm ist – wobei es seit 1992 angereichert werden darf, aber nicht muss (kostet ja Geld und der Verbraucher merkt es nicht…). So ist es schwer zu schätzen, was in Tierprodukten enthalten ist. So ist wenn überhaupt hier (fangfrischer) Fisch zu empfehlen.

Interessant fand ich auch, das sich nach neueren Forschungs-Berichten (UK) die Selenzufuhr wohl in den letzten 3-4 Jahrzehnten ca. halbiert hat – und das die finnische Regierung schreibt bereits seit den 1980er Jahren einen Mindestgehalt an Selen für Düngemittel festgesetzt hat [19].

Sehr Selenhaltige pflanzliche Nahrungsmittel

Sehr Selenhaltige pflanzliche Nahrungsmittel

Schauen wir doch einfach mal was die Natur sonst noch so zu bieten hat. Alle Angaben pro 100 g Lebensmittel, jedoch alles sehr stark schwankend – weil abhängig vom Selen in den Böden bzw. Futtermitteln [7][8]:

  • Paranuss: 68–91 µg pro Nuss
    • Aber Achtung: ggf. nur mit Schale – sonst wohl weniger + Radioaktives Radium
    • Wobei die DGE hier nur von ca. 11-20 µg pro Nuss ausgeht [12]
  • Sonnenblumenkerne: ca. 100 µg
  • Rosenkohl: 18 µg
  • Bohnen, Weiß: 14 µg
  • Haferflocken, gekocht: ca. 10-16 µg
  • Brauner Reis, gekocht: ca. 10-11 µg
  • Linsen: 10µg (bis zu 40µg nach [12])
  • Weizen-Vollkornbrot: 8 µg
  • Zwiebelgewächse (Knoblauch, etc.) [12].
Sardinen - Eine gute tierische Selenquelle.

Sardinen – Eine gute tierische Selenquelle. Foto: H.C.

Zum Vergleich die tierischen Produkte (je 100g, ca.) nach [8][9]:

  • Thunfisch: 74-130 µg (leider auch hoch mit Schwermetallen und Quecksilber belastet -> Raubfisch)
  • Sardine: 60-85µg (auch viel DPA und etwas Jod)
  • Schweineleber: 58 µg
  • Hering: 50-55 µg
  • Lachs:  26-46 µg
  • Rinderfleisch: 35 µg
  • Kotelett: 20-30 µg
  • Alaska Seelachs:  20 µg
  • Ei: 20 µg
  • Emmentaler: 11 µg

Eine einzige Paranuss pro Tag könnte den Bedarf an Selen alleine abdecken – das ließt sich ja erst einmal praktisch. Wer zudem noch ein Müsli mit Haferflocken und Sonnenblumenkernen isst – der kann faktisch nichts falsch machen, würde man denken. Hier wird sogar berichtet das Paranüsse auch noch helfen den Cholesterinspiegel zu senken. Wahnsinn! Leider ist das noch nicht die ganze Wahrheit…

Schimmel und Radioaktivität in Paranüssen – keine gute Idee

Ja, leider hat der Paranussbaum einen Nachteil: Er akkumuliert Radium! So schreibt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) [2]:

“Eine Sonderstellung unter den Lebensmitteln nehmen Paranüsse ein. Mit spezifischen Aktivitäten von einigen 10 Becquerel Radium-226 beziehungsweise Radium-228 pro Kilogramm Frischmasse können Paranüsse rund 1.000-fach höhere Radiumgehalte als die Gesamtnahrung in Deutschland aufweisen.”

Becquerel (Bq)? War da nicht mal was mit Tschernobyl – und war damals der Grenzwert nicht bei 600 Bq pro Kilo bei Wildfleisch? Ja – in Bezug auch Cäsium 137. Leider ist die Einheit Bq in Bezug auf die Risikobewertung für den ‘Popo’. ScienceBlogs dazu [3]:

“Die Zahl sagt nur, wie viele Atome pro Sekunde zerfallen. Sie sagt aber nichts darüber, was sie danach im Körper anrichten könnten. Und da gehört Cs-137 noch zu den relativ harmlosen Vertretern.”

Im Artikel geht es dann noch weiter. Relevant sind jedoch die spezifischen Nano-Sievert Werte pro Bq der Radium-Isotope:

  • Cs-137 -> 13 nSv/Bq
  • Ra-226 -> 280 nSv/Bq
  • Ra-228 -> 700 nSv/Bq

Nach diesen Daten und der Interpretation von ScienceBlogs hat 1 Bq Radium-226 also 20 mal starke Auswirkungen wie 1 Bq Cs-137. Radium-228 dann sogar 50 mal so gefährlich. Wo ist das Problem? Das sich das Radium was nicht ausgeschieden wird wohl in den Knochen sammelt – für ein Leben [4]:

“Since radium behaves like calcium, it can be incorporated into bones and remain there for a person’s lifetime, and this represents the greatest risk from ingestion of radium.”

Dabei ist zu beachten, das die Radium-Konzentration nicht überall gleich ist. Teils ist (zusätzlich!) auch noch mehr oder weniger Barium (Ba) und Cäsium-137 (Cs) enthalten [11]:

“The concentration range of Se (2–20 μg/g) and that of Ba (96–1990 μg/g) each varied by more than an order of magnitude in the nuts, while 226Ra (17–27 mBq/g) and 228Ra (18–31 mBq/g) activities were comparable and within a factor of two of one another. The greatest concentrations of the elements were measured in nuts from Bolivia, for Ba; Brazil, for Ra; and northern South America, for Se. Only the northern South American nuts contained 137Cs.”

Ein weiteres Problem ist wohl auch, das Paranüsse aufgrund Ihrer Struktur, Ernte und Verarbeitung wohl oft ein Problem mit Schimmel haben – das ist dann ganz schlecht. Auch dazu lässt sich viel im Internet finden – und ich selber hatte damals auch immer wieder ‘Muffige’ schmeckende Paranüsse erwischt. Schimmel-Toxine sind jedoch etwas, was ich zumindest gar nicht haben mag.

Mein Zwischenfazit: Paranüsse scheinen also eine eher ‘suboptimale’ Lösung für die Selenfrage zu sein. Mir ist der Appetit auf diese Nüsse schon länger vergangen…. 🙁

Verschiedene Selenformen: Von Vor- und Nachteilen

Für Menschen die keine Paranüsse mögen (oder zu Risikoreich finden) bietet sich nach Dr. Volkmann Selenhefe als Supplement an, da da ist das Selen an Aminosäuren gebunden, so dass das Spurenelement leichter in die Zelle gelangen kann. Es gibt aber noch andere Selenformen wie z.B. [10][22]:

  • L-Selenomethionin
  • Selenhefe (enthält wohl viel Selenomethionin (ca. 80-90%), wobei wohl nicht alle Menschen die inaktiven Hefen vertragen)
  • Selen-Methyl L-Selenocysteine
  • Natriumselenit

wobei die verschiedenen Selenformen wohl verschieden im Körper interagieren. Von einem reinen Natriumselenit-Supplement würde ich angesichts dieses Artikels [14] absehen:

“Für (Natrium-)Selenit wurden allerdings mehrere nachteilige Wirkungen dokumentiert inklusive einer Depletion von Glutathion, pro-oxidative Eigenschaften und einer Inhibition der RNA-Synthese (64 Caffrey et al., 1991; 65 Shen et al., 1999; 66 Frenkel et al., 1989).”.

A. Hall Cuttler rät dann noch speziell von Natriumselenit wegen seiner Toxizität ab, da es u.a. für die Erzeugung von Katarakten in Versuchs-Ratten verwendet wird [30][31][32]. Allerdings sind die Dosierungen bei den Ratten, bezogen auf einen Menschen mit 70 Kg, schon extrem hoch (im Bereich ~ 4 mg/Kg Ratte), so das sich die Frage stellt, in wie weit diese Ergebnisse übertragbar sind bzw. in wie weit Sie auch auf Selen-Methionin zutreffen. Da die Katarakte jedoch recht schnell eintreffen, also nach einer Einmaldosis, würde ich selber wegen akkumulativen Effekten (365 * 50 µg/ Tag = ~ 180 mg pro Jahr) dennoch vorsichtig mit Na-Se sein. So legt Cutler seinen Lesern sicherheitshalber Selen-Methionin sowie Selen-Hefe nahe [23].

Eine andere Studie [13] die ich gefunden hatte vergleicht dann Paranüsse direkt mit Selenomethionin. Dabei waren dann zwei Paranüsse anscheinend genauso effektiv wie 100 µg Selenomethionin – wobei das Risiko durch Radium außen vor blieb. Das BfR sieht es (zumindest in 2004) anders [17]:

“Unabhängig davon empfiehlt das BfR, Selenomethionin und Selenhefe vorerst nicht zur Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln zuzulassen. Für Selenhefe kann bislang keine gleichbleibende Qualität gewährleistet werden. Darüber hinaus lassen die bisherigen Studienergebnisse nicht erkennen, dass es vorteilhaft wäre, in Nahrungsergänzungsmitteln Selenite durch Selenomethionin oder Selenhefe zu ersetzen.”

Aber Selen-Methionin nur deswegen nicht nehmen weil das mit dem Natriumselenit “irgendwie klappt?” Ich selber will nicht irgendwie – sondern möglichst optimal und ohne Neben- und Seiteneffekte. Von Uwe Gröber hatte ich mal gelesen das der Hauptvorteil an Natriumselenit wohl ist, das damit nicht so leicht überdosiert werden kann. Das ZRT Lab, welche sich viel mit Jod, Selen, der Schilddrüse & Co. beschäftigen (Diagnostik), empfiehlt dann auch Selen-Methionin [22]. Ich selber folge also der Empfehlung des BfR nicht, weil ich keinen Vorteil vom Natrium-Selenit sehe und die Studienlage sogar auf viele Gefahren dieser Form hindeutet. Aber das BfR sieht auch bei Glyphosat keine Gefahren….

Selen und Entgiftung bzw. Interaktion mit Quecksilber (Hg)

Selen bildet zusammen mit (durch die Nahrung zugeführten oder ggf. auch durch die Entgiftung mobilisierten) Quecksilber das Quecksilber-Selenit (HgSe), was nicht mehr im Organismus aufgenommen werden kann, so der Toxikologe Dr. Hermann Kruse (wie weiter oben schon einmal kurz angerissen). Das ist erst einmal positiv, weil weniger Quecksilber-Ionen im Körper “Ping-Pong” spielen können und so auch Schaden reduziert wird. So schrieb auch schon Cutler vor ca. 20 Jahren (deepl.com) [34]:

Selen bewirkt zweierlei: Erstens bindet es Quecksilber sehr fest und passiviert es. Die Einnahme von mehr Selen verringert also die Menge an “freiem” Quecksilber, das herumspringt und Schaden anrichtet.”

Allerdings wird teils auch angemerkt, das diese HgSe-Komplexe dann ggf. kaum oder nur schwerlich mit Chelatoren auszuleiten sind [15]. Wichtig: Anscheinend hat das HgSe in Gehirn und Niere dann doch negative Auswirkungen, weswegen Dr. Med Helmut B. Retzek [15] eine Schwermetallausleitung bzw. Fixierung mit (hohen) Selendosen nur unter sehr begrenzten Rahmenbedingungen (u.a. Krebs) empfiehlt:

“Wir wissen nichts über die Langzeit-Effekte des Selen-Quecksilber-Komplexes im Gewebe.”

Zu viel Selen ist bei Quecksilber-Vergiftung zumindest nach Daunderer auch keine gute Idee – weil sich hier eben diese schwer löslichen HgSe-Komplexe bilden können, welche sich dann fast irreversibel auch im Gehirn und den Organen anreichern und einlagern. Daunderer schreibt (bzw. wird wiedergegeben mit der Aussage) das er nie einem Vergifteten Selen empfohlen habe sowie [25]:

“Selen bindet die Amalgambestandteile als Selenit so, dass sie im Körper bleiben und irreversibel ins Gehirneingelagert werden. Die Giftausscheidung wird somit blockiert.” sowie “Die fettlöslichen Amalgam-Selen-Salze dringen leicht in die Organe ein und bleiben dort liegen; dies ist besonders schlimm im Gehirn!”

Ich sehe Daunderers Ansicht u.a. bestätigt durch eine Arbeit von Rooney aus 2007 in der er schreibt [26]:

“However, it has been observed in rats that simultane-ous administration of selenium (in the form of sodiumselenite) and a chelating agent (DMSA or DMPS) leads to reduced excretion and considerable redistribution of mercury – specifically a reduction of kidney mercury and an increase in liver concentrations although it should be noted other organs were not examined in this study.”

Wichtig ist für mich hier, das die Autoren immer “Selenit” schreiben – also dem, was aus der Verbindung von Natrium-Selenit hervorgeht. Insofern wäre ich mit dieser Form, die auch oft in Infusionen genutzt wird, sehr vorsichtig! Rooney führt dann noch aus, das gerade Menschen mit viel Hg wohl eher geringere Se-Spiegel im Blut haben und dieses sich dann auch positiv auf die Glutathion-Produktion auswirken würde [26], was mir jedoch nicht einleuchtet. Das ganze ist jedoch wohl noch komplexer – so schreiben Ralston et al. (2010) [5]:

“It is now understood that MeHg is a highly specific, irreversible inhibitor of Se-dependent enzymes (selenoenzymes). Selenoenzymes are required to prevent and reverse oxidative damage throughout the body, particularly in the brain and neuroendocrine tissues. Inhibition of selenoenzyme activities in these vulnerable tissues appears to be the proximal cause of the pathological effects known to accompany MeHg toxicity. “

Meint: Methyl-Quecksilber inhibiert Selen-Abhängige Enzyme und das wiederum scheint einer der Haupt-Schadensmechanismen von MeHg zu sein.

Im weiteren Text der Studie schreiben die Autoren, das gerade bei Tieren mit niedrigem Se-Status (Zufuhr) die Auswirkungen einer Hg-Vergiftung schwerwiegender wären als bei einer höheren Zufuhr. Sie schließen deswegen auf einen (Netto) eher schützenden Effekte einer guten Selen-Versorgung. Diese Auslegung der Studienlage unterstützt auch Dr. Shade in einem Interview [29] mit Verweis auf Ralston – aber auch anderen: Zu wenig Selen ist Problematisch, eine gute Versorgung optimal – aber (zu) viel bringe keinen Vorteil im Kontext Quecksilber.  Problematisch sei, das Hg eben die HgSe-Komplexe binde (-> inaktiviere) und damit zu wenig Se für die regulären Funktionen im Körper vorhanden sei. Auch eine neue Studie zu Alzheimerpatienten bestätigt, das niedrige Selen-Spiegel im Blut oft mit Alzheimer assoziiert sind [33] (deepl.com):

“Generell deutet diese Meta-Analyse darauf hin, dass Alzheimer-Patienten im Vergleich zu Gesunden stark mit niedrigeren Selenkonzentrationen assoziiert sind, was in Zukunft eine klinische Referenz darstellen könnte.”

Retzek merkt in seinem Artikel noch an [15], das die HgSe-Komplexbildung ggf. besonders beim Natrium-Selenit zum tragen kommen könnte, nicht jedoch so stark bei Selen-Methionin. Cutler ergänzt, wie schon angemerkt, zu Selenit noch [23]:

“The selenite form of selenium is quite toxic, strongly pro-oxidant and is used inlaboratory experiments to induce cataracts

Katarakte braucht dann nun wirklich keiner. In seinem Standardwerk ‘Amalgam Illness’ rät Cutler dann zu der Methionin-Form. So handhabe ich es dann auch für mich: Gute “hohe” Selen-Spiegel, Selen-Methionin oder Selen-Hefe, jedoch keine Übertreibungen.

Quecksilber, Selen und Fisch – warum Hg-Fisch keine gute Idee ist

Spannend fand ich dann auch noch einen Artikel von Kresser [16], welcher sich mit Quecksilber und Fischkonsum befasst. Guter (fettreicher) Fisch enthält ja neben Selen, Jod und den Omega-3 Fetten EPA & DHA auch Quecksilber. Nun ist es wohl so, wenn Fisch mehr Se als Hg enthält, dass das ganze dann nicht mehr “so” problematisch zu sein scheint – weil Hg und Se eine Bindung eingehen. Ein Problem von zu viel Hg für das Gehirn scheint jedoch dies zu sein, das Hg die Selenenzym-Aktivität im Gehirn unterbindet – weil es eben diese Bildung eingeht.

Problematisch wären unter diesem Aspekt aus meiner Sicht dann Raub- und Süßwasser sowie Zuchtfische, die ggf. viel Quecksilber mitbringen – aber kein Selen und der Gesundheit zuträgliche DHA Fettsäuren. Dr. Shade konkretisiert in einem Interview mit Kresser noch [29], das Selen klar protektiv ist, das Hg im Fisch jedoch nicht an das Se, sondern an SH-Gruppen von Proteinen (Cystein) vorkomme – und so hoch Bio-Verfügbar ist.

Blutwerte & Selen

Blutwerte sollten am besten im Vollblut gemessen werden und sind gut repräsentativ. Selen-Werte in einer Haar-Analyse können gute Hinweise auf die Selen-Zufuhr, aber nicht unbedingt den Selen-Status im Körper geben – eine Auswertung braucht Erfahrung.

Frau Dr. Ritter [18] empfiehlt bei Selen im Vollblut min. 100 µg/l, besser jedoch >120 µg/l, für Menschen mit Hashimoto ca. 200 µg/l [18, Seite 100]. Dr. Strunz schreibt, das der Mittelwert in den USA ca. 160 µg/l, in Kanada ca. 190 µg/l und in Guatemala 240µg/l sei (nach der WHO). Die Ärzte Zeitung verweist auf eine US-Studie in der Lancet [21], wo Patienten mit einen Serumselen Spiegel zwischen 130 und 150 µg/l die niedrigsten Mortalitätsraten aufwiesen [20] und schreibt:

Europäer dagegen, die oft einen niedrigeren Selenspiegel haben, könnten ggf. von einer Supplementation profitieren.” [20]

Das Labor Biovid vermerkt auf seiner Vollblutanalyse zudem, das erst bei Vollblutwerten zwischen 140-160 µg/l die Glutathion-Peroxidase in Ihrem Potential (-> optimal) funktioniert.

Für mich bedeutet das alles, das ich Vollblutwerte von min. 150 µg/l anstrebe. In Bezug auf eine Hg-Belastung kann man höhere Werte zweigeteilt sehen: a) höhere Selen-Spiegel erhöhen die Chance, das Quecksilber (Hg) gebunden wird, was es jedoch b) für Chelatoren wie DMPS und NBMI potentiell schwerer macht dies zu binden und auszuleiten. Insofern würde ich bei Hg-Belastung ohne Nutzung von Chelatoren mindestens Vollblutwerte um 180 µg/l bevorzugen.

Dosierung, Grenzwerte, Nebenwirkungen – Wann ist es viel des Guten?

Selen ist ein Spurenelement – wir brauchen es ebenfalls nur in Spuren – und es kann es auch überdosiert werden! Das NIH gibt 400 µg als maximale (dauerhafte) Selendosis pro Tag für Erwachsene an. Bei einer Überdosierung stellen sich u.a. folgende Symptome ein: Knoblauchgeruch im Atem sowie metallischer Geschmack im Mund. Klinische Diagnosen von dauerhaft hoher Selenzufuhr sind u.a. Haar und Nagelverlust bzw. brüchige Nägel. Andere Symptome sind Läsionen der Haut, Durchfall bzw. Verdauungsstörungen, juckende Haut, fleckige Zähne bzw. Anfälligkeit für Karies, Erschöpfung, Störungen des Nervensystems. Das BfR gibt noch an [27]:

  • Das SCF hat das Upper Limit (UL) für Selen auf 300 µg/Tag festgelegt (Erwachsene, auf der der Basis des NOAEL von 850 µg/Tag und einem Unsicherheitsfaktor (UF) von 3)
  • Die EVM gibt einen ‘Safe Upper Level’ (SUL) von 450 µg/Tag für Selen aus allen Quellen an (UF von 2 bei LOAEL von 910µg / Tag).
  • Das Food and Nutrition Board (FNB) legt ein UL von 400 µg / Tag fest (UF von 2 auf Basis eines NOAEL von 800 µg/Tag).
  • Die EFSA schließt sich dem SCF an und legt das UL auf 300 µg / Tag fest. [28]

Schmiedel weißt auf therapeutische Höchstdosen von 300 µg am Tag über einen begrenzten Zeitraum von Wochen bzw. wenigen Monaten hin – unter Kontrolle der Blutwerte, da Selen ein enges therapeutisches Fenster hat [24].

Normale Erhaltungsdosen liegen meiner Erfahrung nach eher um die 50 µg / Tag. Cutler [34] gab Dosierungen von 1-2 µg pro Kg Körpergewicht an, also z.B. 70 µg / Tag für einen 70 Kg schweren Menschen. Auch das scheint mir sehr sinnfällig als Referenz.

Ganz wichtig: Bevor irgendwie Jod aufgefüllt wird oder ein Jod-Sättigungstest’ gemacht wird (von dem ich dringendst! abrate), sollte anscheinend zwingend Selen aufgefüllt [18] und optimalerweise anhand von Blutwerten (-> im Vollblut) überprüfen werden.

Noch wichtiger: Das Auffüllen von Selen – kann nach nach einer längeren Mangel-Phase dazu führen das die Schilddrüse wieder mehr ‘Gas’ gibt, mehr T4 und insbesondere T3 produziert wird. Dieses kann dann auch Nebenwirkungen haben – weil indirekt Stoffwechsel und die körpereigene Entgiftung aktiviert werden. Menschen mit Problemen (u.a. MCS, CFS), Schwermetall-Belastung & Co. sollten auch hier vorsichtig sein – und nicht einfach 200 µg Dosen ‘einschmeissen’.

Mein Fazit

Aktuell gehe ich davon aus, das faktisch fast jeder Deutsche, insbesondere die ohne Fischkonsum, von einem niedrig dosierten Selen-Präparat (ohne Natriumselenit) profitiert.

Ich je nach Größe meist eine Paranuss pro Tag, wobei ich das nach der Information mit dem Radium eingestellt habe. Auch sind Paranüsse in letzter Zeit sehr teuer geworden (aktuell ca. 4€/200 g bei DM), so das Selen als Supplement inzwischen eine deutlich günstigere und ggf. auch ‘sichere’ Alternative in Bezug auf die Belastung mit Radium erscheint. Übertreiben würde ich es auch mit normalen Selen-Supplementen nicht – also wenn kein akuter Mangel besteht. Angesichts der Referenzwerte scheint mir ein Extra bis 50 µg / Tag aber maximal 100 µg pro Tag (für einen Auffüll-Zeitraum von maximal ein paar Monaten) genug um einen guten Selen-Spiegel zu erhalten. Dabei sind meine Favoriten die Formen Selen-Methionin oder Selen-Hefe – mit Tendenz zur Selen-Hefe.

Um aus einem Mangel heraus einen guten Wert zu erreichen können ggf. kurzzeitig höhere Dosen als 50-100 µg pro Tag angezeigt sein, wobei ich die 200 µg am Tag selber nie überschreiten würde. Im Zweifelsfall würde ich immer nachmessen – also vor der Einnahme von Selen oder anraten einen erfahrenen Therapeuten zu konsultieren. Wird mit höheren Dosen (ggf. dauerhaft) ergänzt, dann sollten auch regelmäßige Kontroll-Messungen nicht fehlen – zumindest bis die eigene persönliche Tagesdosis gefunden ist die einen bestimmten Ziel-Wert an Selen im Vollblut erhält.

Ich mag hier anmerken, dass ich Selen-Werte im Blut über 400 µg/l gesehen habe, welche durch 5 Paranüsse am Tag über mehrere Jahre erreicht wurden. Das ist ganz klar keine gute Idee – egal wie lecker diese Nüsse sein mögen. Deswegen: Bitte ab und zu die (Voll-) Blutwerte kontrollieren und nichts übertreiben.

Bei den Blutwerten orientiere ich mich selber eher am oberen Referenzbereich. Wie man hier mit der Thematik Quecksilber umgeht ist diffizil. Im Fall, dass mal Amalgam in den Zähnen war und dies auch mittels Chelatoren ausgeleitet werden soll wäre ich selber mit Selen etwas zurückhaltend und würde die 150 µg/l (Vollblut) eher nicht überschreiten wollen, denn ich nehme die Aussagen von Retzek [15] und Daunderer [25] zu dieser Thematik nicht ‘auf die leichte Schulter’. Sind Chelatoren keine Option, oder keine in den nächsten Jahren, dann würde ich selber auch mit 180 µg/l keine Probleme haben.

Welche Supplemente sind aus meiner Sicht nutzbar?

Folgende Produkte habe ich mal genutzt bzw. würde ich nutzen, wobei all frei von Siliziumdioxid (Silicea) sind. Einige haben jedoch überhaupt keine kritischen Füllstoffe, was ich gut finde.

  • Hefe
    • Natural Factors (200 µg, 90 Kapseln, Saccharomyces cerevisiae – Selen-Hefe)
  • L-Selenomethionin
    • Cal. Gold Nutrition (200 µg, 180 Kapseln) – Ohne Hefe.
    • Nature’s Way (200 µg, 100 Kapseln) – ohne ggf. kritische Füllstoffe!
    • Solaray (200 µg, 90 Kapseln) – ohne ggf. kritische Füllstoffe!
  • Kombis
    • Natural Factors  (Selen (50µg), Kaliumjodid (100 µg), Guggul, Ashwaganda, Tyrosin (500 mg), B5, 60 Kapseln)
      • Meine Ansicht: Eine interessante Formulierung. Leider 0,5 mg Kupfer – aber die sind aus meiner Sicht o.k.
      • Hinweis: Die Dosis verteilt sich auf zwei Kapseln, die mit Abstand (z.B. morgens / mittags) eingenommen werden sollten. Nicht zur Nacht, wegen des Tyrosins!
      • Hintergrund: Guggul und Ashwaganda fördern die T4 & T3-Produktion, L-Tyrosin & Jod sind wichtige Co-Faktoren für Thyroxin.

Wichtig: Auf jeden Fall nach der Blutwertabhängigen “Aufladephase” von ggf. 4-8 Wochen nur noch ca. 2 Kapseln pro Woche nutzen und die Blutwerte (Vollblut) ab und zu kontrollieren. Die meisten Menschen brauchen nur (im Schnitt) ca. 50 µg / Tag als Extra.

Wer Fisch mag – wie ich – der ist ggf. mit Sardinen oder Hering recht gut bedient – wobei hier die Quecksilber- und Schwermetallproblematik zu beachten ist. Eine weitere Übersicht zu Jod, Selen sowie EPA & DHA in Fisch findet sich auch noch hier im Blog (am Ende der Buchkritik).

 


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Quellen

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