Sardinen, Sardellen, Hering (und anderer Fisch): Wie viel Belastung durch Quecksilber & Radioaktivität?

Ausgenommene Sardinen

Ausgenommene Sardinen. Foto: H.C.

Quecksilber (Hg), Schwermetalle, Radioaktivität und Fisch? Das wird oft zusammen genannt. Da ich wieder Fisch esse, hier insbesondere Sardinen, wollte ich wissen wie stark Fisch von der Hg-Problematik betroffen ist. Nicht zuletzt hat mich Cadmium in Edelschokolade und Radium in Paranüssen sensitiviert…

Was ist so schlimm an Quecksilber? Weil das wohl eines der größten Probleme von vielen Fischsorten ist. So schreibt selbst das Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit [2]: “Während die Blei- und Cadmiumgehalte bei Fischen nur im unteren Spurenbereich liegen…”. Zwar gibt es noch andere Belastungen wie Tributylzinn (TBT) u.a. aus Schiffsanstrichen [4],Mikroplastik, BPA & Co. aus Verpackungen – diese sind jedoch nicht Fokus dieses Artikels. Was ist nun Thema dieses Artikels? Folgendes:

  • Warum überhaupt Fisch (bzw. Sardinen) essen?
  • Grenzwerte für Quecksilber in Fisch…
  • Was ist drin im Fisch (EPA, DHA, Selen & Quecksilber)?
  • Radioaktivität in Fisch und den Weltmeeren?
  • Diskussion

Am Ende des Artikels folgt dann mein übliches Fazit.

Warum überhaupt Fisch (bzw. Sardinen)?

Ganz kurz zur Wiederholung: Aus pflanzlicher Nahrung gibt es nur die Omega-3 Fettsäure Alphalinolsäure (ALA). Der Körper selber baut daraus wohl nur sehr wenig Omega-3 EPA und DHA, welche für die Gehirnentwicklung sehr wichtig sein sollen, insb. auch für die Neuroentwicklung von Kindern und ungeborenen. So schreiben auch die Autoren von [1]:

“Auf Basis dieser Erkenntnisse [Anm.: Also das mit dem DHA und dem Gehirn] sprechen nationale und internationale Fachgesellschaften die Empfehlung aus, wöchentlich ein bis zwei Fischmahlzeiten zu verzehren.”

In verschiedensten Artikeln und Buchbesprechungen habe ich schon über den DHA-Gehalt von verschiedenen Fischen berichtet: Hering, Makrele, Sardinen, Sardellen sowie Wildlachs schneiden dabei am besten ab.

Grenzwerte für Quecksilber in Fisch…

Für Fische gilt die EU-Verordnung Nr. 466/2001 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. Nach dieser Verordnung darf der Hg-Gehalt von Fischereierzeugnissen einen Höchstgehalt von 0,5 mg/kg (also 500 µg / Kg) Frischgewicht nicht überschreiten. Da nichts ohne Einschränkung ist, dürfen die in der Regel höher belasteten fettreichen Fische und Raubfische (u.a. Seeteufel, Barsch, Bonito, Heilbutt, Hecht, Rotbarsch, Haifisch, Schwertfisch und Thunfisch) sogar bis zu 1 mg/kg enthalten [5]. Um das festzuhalten: 1 mg Quecksilber ist eine “ziemlich krasse Menge”. Bevor ich so etwas essen würde – würde ich lieber hungern.

Welche Grenzwerte für die tägliche oder wöchentliche Aufnahme gibt es überhaupt?

  • In den USA legt das National Research Council (NRC) für Verbraucher eine wöchentliche Aufnahmegrenze (intake limit) von 0,7 µg / kg Körpergewicht fest [1]. Bei 70 Kg sind dies 7 µg / Tag.
  • Das Joint FAO / WHO Expert Commitee on Food Addtives (JECFA) setzt die Grenze für die ‘vorläufig tolerierbare wöchentliche Aufnahme’ von Methyl-Hg mit 1,6 µg pro kg Körpergewicht an [1]. Bei 70 Kg sind dies ca. 16 µg / Tag.
  • Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) hat für anorganisches Quecksilber und Methylquecksilber so-genannte TWI-Werte abgeleitet (‘tolerable weekly intake’ bzw. tolerierbare wöchentliche Aufnahme). Bei Methylquecksilber liegt die EFSA mit 1,3 µg / Kg zwischen NRC und WHO (entspricht bei 70 Kg ~ 13 µg / Tag) – und bei am anorganischen Quecksilber mit 4 µg/Kg noch einmal höher [3].

Das bedeutet: Das man nach US-Grenzwerten bei (sehr) hoch belastetem Fisch (500 bzw. 1000 µg) nur maximal 14 g bzw. 7 g Fisch pro Tag zu sich nehmen sollte – also wenn man genau null Quecksilber anderweitig zu sich nimmt! Das bedeutet: Die Grenzwerte für Fisch in der EU sind ein mehr als makabrer schlechter Witz.

Erschreckend dabei ist: Es gibt wohl kein unteres Limit für Quecksilber – jedes Bisschen hat Auswirkungen und macht uns dümmer, toxischer, kränker. Insofern sind auch die als ‘tolerierbar’ angegebenen ‘Grenzwerte’ mit Vorsicht zu genießen. Grenzwerte richten sich in der Regel nach ökonomischen Erwägungen – nicht nach der Gesundheit.

Tipp: Hier habe ich noch ein bisschen mehr zu Quecksilber geschrieben.

Was ist drin im Fisch (EPA, DHA, Selen & Quecksilber)?

In Bezug auf Quecksilber habe ich die folgende schöne Tabelle gefunden [1], welche ich in Auszügen und sortiert nach dem Hg-Wert hier wiedergebe:

Lebensmittel EPA + DHA EPA + DHA  Selen Hg
pro Portion pro 100g  pro g (ppm) pro kg (ppm)
Lachs (Zucht) 4504 mg 2648 mg 0,41 µg < 0,05 mg
Lachs (Wild) 1774 mg 1043 mg 0,46 µg < 0,05 mg
Sardine 556 mg 982 mg 0,53 µg < 0,05 mg
Hering (Atlantik) 1712 mg 2014 mg 0,47 µg < 0,05 mg
Sardellen, Anchovis 1165 mg 2055 mg 0,68 µg < 0,05 mg
Köhler, Seelachs 281 mg 468 mg 0,43 µg < 0,05 mg
Makrele (Atlantik) 1059 mg 1203 mg 0,52 µg 0,05 mg
Forelle 581 mg 935 mg 0,15 µg 0,07 mg
Krabbe, Krebs 351 mg 413 mg 0,40 µg 0,09 mg
Kabeljau, Dorsch (Atlantik) 284 mg 158 mg 0,38 µg 0,10 mg
Thunfisch, leicht (Skipjack) 228 mg 270 mg 0,80 µg 0,12 mg
Ziegelbarsch (Atlantik) 1358 mg 905 mg 0,52 µg 0,14 mg
Heilbutt 740 mg 465 mg 0,47 µg 0,25 mg
Thunfisch, weiß (Albacore) 733 mg 862 mg 0,66 µg 0,35 mg
Königsmakrele 618 mg 401 mg 0,47 µg 0,73 mg
Haifisch 585 mg 689 mg 0,34 µg 0,99 mg
Schwertfisch 868 mg 819 mg 0,62 µg 0,98 mg
Ziegelbarsch (Golf von Mexico) 1358 mg 905 mg 0,52 µg 1,45 mg

Weiter im gleichen Dokument [1] wurde dann für Sardinen ein mittlerer Hg-Wert von nur 0,014 mg pro Kg angegeben – der geringste Wert im Vergleich!

Letztendlich spiegelt der Hg-Gehalt im Fisch die Stellung in der Nahrungskette, insbesondere dem Alter und wohl eher in geringem Ausmaß auch vom Fanggebiet wieder. Das Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit weiter dazu [2]:

“Fische, die eine niedrigere Stellung in der Nahrungskette einnehmen und vergleichsweise schnellwüchsigsind, sind gering belastet. Hierzu zählen die bekannten Speisefische wie Kabeljau, Seelachs, Seehecht und Hering. Auch Fische aus Aquakulturen weisen gewöhnlich ausgesprochen niedrige Schwermetallgehalte auf. Insbesondere aber bei großen, alten Raubfischen, die als Endglieder der Nahrungskette eine hohe trophische Stellung einnehmen, kann es infolge einer jahrelangen Anreicherung (Altersakkumulation) zu erhöhten Gehalten von Quecksilber kommen. Hierzu zählen große Exemplare von Fischarten wie Schwertfische, Haifische, Marlin, Speerfische und große Thunfische.”

Im gleichen Dokument gibt es dann noch eine Tabelle mit Werten zu einer Untersuchung von 27 verschiedenen Sardinen, wobei der Mittelwert der Hg-Belastung bei 0,032 mg / kg lag (ca. doppelt so hoch wie in [1]) und der Spitzenwert bei 0,15 mg / kg – zehn mal so hoch wie bei [1]. Diese Zahlen werden in etwa auch anderweitig bestätigt [7], wobei es hier noch interessante Grafiken zur Belastung gibt.

Radioaktivität in Fisch und den Weltmeeren?

Relativen Anteile von Methylquecksilber (Me-Hg+) und anorganischem Quecksilber (Hg2+) in Fischarten.

Relativen Anteile von Methylquecksilber (Me-Hg+) und anorganischem Quecksilber (Hg2+) in Fischarten. Quelle: [7]

In der Nucleopedia findet sich eine recht unschöne Liste der ‘Verklappungen’ von Atommüll in den Weltmeeren [6]. Da anscheinend die Atomtests der 50’er, 60’er, 70’er, … noch nicht genug waren um die Radioaktivität in Atmosphäre, Böden & Weltmeeren zu steigern – wurden bis in die 80’er hinein auch einfach Fässer mit Atommüll & Co. in die Weltmeere verklappt – viel davon im Atlantik und in Meerestiefen von nicht einmal 100 Metern.

Wie viel davon bereits im Fisch landet kann ich nicht sagen – allerdings glaube ich auch nicht, das die Fässer die schon teils über 50 Jahre auf dem Meeresgrund liegen noch alle dicht sind. Also ist nicht nur das Wild mit Radioaktivität (u.a. aus Tschernobyl) belastet – sondern sicher auch der Fisch, welcher nicht aus dem Pazifik (u.a. Fukushima & Atomtests) kommt.

Diskussion

Relativen Anteile von Methylquecksilber (Me-Hg+) und anorganischem Quecksilber (Hg2+) in Fischarten.

Relativen Anteile von Methylquecksilber (Me-Hg+) und anorganischem Quecksilber (Hg2+) in Fischarten. Quelle: [7]

Zwar enthalten andere Fischarten wie Lachs oder Hering mehr EPA+DHA pro Kg Fisch – bei ähnlich geringer Belastung mit Quecksilber – jedoch gibt es diese meist nicht frisch oder in ‘ganz’ tiefgefroren zu kaufen. Warum ich darauf Wert lege hatte ich ja schon hier erläutert.

Setzte ich nun die Grenzwerte des NRC mit 7 µg Hg pro Tag oder ~ 50 µg pro Woche an, dann liege ich mit einem Verzehr von max. 300 g Sardinen pro Woche (nur Fleisch – 600 g Bruttogewicht inkl. Kopf und Gräten) deutlich unter diesem Grenzwert – egal ob die 300 g oder die 600 g als Bezugsmenge hergenommen werden. Selbst mit einem Gehalt von 32 µg / Kg an Hg nach [2] liege ich noch ganz gut. Ganz anders bei Thunfisch: Bei weißem (oder altem) Thunfisch können schon 200 g die Woche ausreichen um das Limit des NRCs zu erreichen. Und das einzelne Chargen oder Fisch noch viel stärker belastet sein können zeigen ja auch die unterschiedlichen Zahlen der Angaben (Anm.: Siehe [1] und [2]).

Mein Fazit

Der Verschmutzung der Welt durch den Menschen ist faktisch kaum noch zu entkommen, es kann nur das potentiell geringere Übel gewählt werden wenn man (noch) Fisch essen möchte. Letzteres ist aus meiner Sicht und auch für mich  keine Leiche Entscheidung wenn man realisiert wie giftig und schädlich Quecksilber ist und wie verbreitet dies ist.

Auf jeden Fall hat mich die Recherche zu diesem Artikel noch einmal in meiner Entscheidung für Sardinen (sowie Sardellen und mit Einschränkungen auch Hering) bestätigt. Bei aller Liebe zum Fisch scheint jedoch auch hier eines sehr Wichtig: Nichts zu übertreiben! Mit ca. 125-150 g Fisch die Woche kann der EPA+DHA Bedarf klar gedeckt werden – ohne ‘hoffentlich’ zu viel Quecksilber “zuzuführen”. Alternativ bieten sich für DHA/EPA Omega-3 Krill- bzw. Fischölkapseln an.


Quellen

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