EMF 10: Mobilfunk im ÖPNV – 50+ Smartphones & der faradaysche Käfig

Wie viel EMF-Belastung im faradayschen Käfig von Bus & Bahn?

Wie viel EMF-Belastung im faradayschen Käfig von Bus & Bahn? Quelle: Pixabay

Wie stark ist die Belastung, welche in Summe von 50+ Smartphones in einem Bus, einem Bahn-Wagon bzw. der S-Bahn (faradayscher Käfig) ausgeht? Im morgendlichen bzw. abendlichen Berufsverkehr wird ja selbst diese Zahl an mitreisenden Smartphone-Nutzern heutzutage eher spielend überschritten…

In Teil 4 der EMF-Serie hatte ich dieses Thema schon kurz angekratzt – also das ggf. die vielen Smartphones der mitreisenden in Bezug auf die Belastung schwerer wiegen könnten als die teils starken magnetischen Felder aus Oberleitung & Co.

Hinweis: Für mehr zum Thema EMF, Mobilfunk & Co. schaut mal auf meine Seite zu EMF & Co.

Volle Pulle – Wenn Mobiltelefone im faradayschen Käfig voll aufdrehen

Der faradaysche Käfig ist nach Wikipedia (was hier als Quelle reichen sollte) eine:

“allseitig geschlossene Hülle aus einem elektrischen Leiter (z. B. Drahtgeflecht oder Blech), die als elektrische Abschirmung wirkt.”

Die meisten werden den Begriff noch aus dem Physikunterricht in Bezug auf ein Auto und Blitzen kennen – dort schützt die Metallhülle des Kfz die Insassen vor den (tödlichen) elektrischen Feldern. Der faradayschen Käfig dämpft aber auch (hochfrequente) Wechselfelder (u.a. Mikrowellen) effektiv (-> Induktion von Wirbelstömen, welche dem Feld entgegen wirken).

Wird nun ein Mobiltelefonen innerhalb eines faradayschen Käfigs betrieben, verkehrt sich seine Schutzwirkung jedoch. Warum? Die Metallhülle dämpft die ausgehenden Signale des Smartphones, so das zumindest das Smartphone mit deutlich mehr Sendeleistung sendet um die Abschirmung zu durchdringen – oft schalten Die Telefone dafür auf die höchste Leistungsstufe (2 Watt). Was bedeutet das in der Praxis? Hier mal ein Anhaltspunkt:

“Das im Juli 2004 abgeschlossene Projekt des Informationszentrums gegen Mobilfunk (izgmf) mit sechs Beteiligten, darunter auch dem Umweltinstitut München e.V. zeigt, das ein Buspassagier in sieben Meter Entfernung von einem Handy noch fast doppelt so stark bestrahlt werden kann wie jemand, der sich im Freien nur 0,6 m neben einem Handy-Nutzer aufhält.” [1]

Diese Studie ist denn auch das einzige an belastbarem Material, was ich bei meiner Recherche in Bezug auf ÖPNV und telefonieren im faradayschen Käfig gefunden habe. Die Daten aus der Studie deuten jedoch darauf hin, das die Belastung durch die Mitreisenden in der (unmittelbaren) Umgebung beträchtlich sind – insbesondere im Vergleich zu Aufenthalt im freiem.

Mehr zur Bus-Studie des izgmf und des Umweltinstitut München e.V.

Schematische Darstellung Bus & Versuchaufbau + ungefähre Belastung als Kreise.

Schematische Darstellung Bus & Versuchaufbau + ungefähre Belastung als Kreise. Basierend auf  [2]

Diese Studie hat in 2004 in einem Bus Messungen mit drei verschiedenen (damals handelsüblichen) 900 MHz GSM-Telefonen gemacht. Dabei wurden Messwerte zum elektrischen Feld (V/m) und den Belastungen durch Mikrowellen gemacht (µW/M²).

Gemessen wurden verschiedene Szenarien:

  • Anstieg der Sendeleistung im Bus in Bezug auf die Leistung an der Bushaltestelle (fortlaufendes Gespräch).
    • Ermittlung der Sendeleistungsstufe des Telefons (im freien, im Bus).
  • Die Leistungsdichte und das elektrische Feld im Bus, wenn die 3 Telefone im Gesprächsbetrieb waren.
    • Ermittelt pro Sitzplatz, Mittelwert aus drei Messungen.

Zu den Messwerten

Belastungssituation pro Sitzplatz aus der linearen Kumulation der Werte der 3 Telefone.

Belastungssituation pro Sitzplatz aus der linearen Kumulation der Werte der 3 Telefone. Quelle: [2]

In dem obenstehenden Übersichtsbild des Bus habe ich dann mal mit den Kreisen grob die verschiedenen Messwerte versucht zu visualisieren, denn die Werte aus der nebenstehenden Tabelle geben nur die Platznummer an.

Auf jeden Fall wird klar, das die Sitzplätze um die Telefonierer sehr stark belastet sind. Aber selbst an den am wenigsten belasteten Plätzen treten immer noch Werte über 16.000 µW/m² auf, was nach Baubiologen z.B. für Daueraufenthalts bzw. Schlafbereiche mehr als eine ‘extreme Belastung’ darstellt (Anm.: >1.000 µW/m² gelten als extreme Belastung). Aus der Studie dazu:

“Auf den hinteren Sitzplätzen in 4 m bis 8 m Entfernung zu den Feldquellen fiel die Feldbelastung erwartungsgemäß erheblich kleiner aus, dort wurde – ebenfalls unter
Worst-Case-Bedingungen – eine Leistungsflussdichte zwischen 16 mW/m² und 70 mW/m² ermittelt.”

Die ca. 30 mal höheren Spitzenwerte (ca. 776.000 µW/M²) sind für mich dann schon als extrem Krass zu definieren – speziell da Sie ja Menschen betreffen, die hier ungefragt belastet werden. Was jedoch wichtig ist:

“Punktuell dürften in Fahrzeugen aufgrund von Signalreflexionen durchaus noch höhere Werte anzutreffen sein, wenn nach diesen Maxima gesucht wird.”

Und weiterhin ist zu bedenken, das es sich hier nur um 3 Telefone handelt. Heutzutage senden die Smartphones fast alle Mitfahrer jedoch dauernd im Hintergrund – oder noch mehr, wenn Sie aktiv benutzt werden (z.B. Web-Surfen, Video-Streaming, etc. pp).

Mehr Sendeleistung im faradayschen Käfig

Variation der Leistungsstufen an 39 Messorten, wenn ein im Freien begonnenes Handygespräch im Bus fortgesetzt wird - Angaben in mW anstatt der Leistungsstufe (PL5-19).

Variation der Leistungsstufen an 39 Messorten, wenn ein im Freien begonnenes Handygespräch im Bus fortgesetzt wird – Angaben in mW anstatt der Leistungsstufe (PL5-19). Quelle: [2]

Ein anderer Aspekt der Messung war, wie es sich mit der Sendeleistung im Bus verhält – also wenn ein Telefonat das im freiem begonnen wurde im Bus weiter geführt wird.

Wie nebenstehend im Diagramm zu sehen unterscheidet sich die Sendeleistung im Bus meist deutlich von der im freien. Fast immer stieg die gemessene Sendeleistung deutlich und sehr oft schalteten die Mobiltelefone in die höchste Leistungsstufe (PL5). Aus [1] dazu:

“Bei 39 Stichproben im Münchener Stadtgebiet regelte in 33 Fällen das Handy die Sendeleistung nach oben, sobald der Tester das Verkehrsmittel betrat. 21-mal wurde dabei eine der vier höchsten (von 15) Sendeleistungsstufen erreicht, die höchste Leistungsstufe 5 (2000 mW) konnte im Bus 7-mal beobachtet werden, im Freien kein einziges mal.

ich denke in der Bahn wird das bei kleineren Fenstern, weniger Sitzabstand & in der regel mehr Metall in der Außenhaut alles nicht besser sein – eher schlechter.

Bewertung der Daten in Bezug auf die heutige Nutzung von Smartphones

Das die ‘offiziellen Grenzwerte’ der privaten (Lobby-)Organisation ICNIRP für mich indiskutabel sind und eher die Industrie als den Menschen schützen hatte ich ja schon oft thematisiert. Lustig ist denn auch, das diese ‘internationale’ Organisation Ihren Sitz im Bundesamt für Strahlenschutz hat (ganz unten im Link weiter ausgeführt). Die Zell-Biologischen Wirkungen treten jedoch schon bei massivst geringeren Dosen als den ICNIRP-Werten auf. Dies bringt auch die damalige Pressemitteilung des Umweltinstitutes zum Ausdruck [2]:

“Drei gleichzeitig im Bus betriebene Handys führten für benachbarte Fahrgäste zu einer Spitzenwertbelastung von 776 mW/m². Der hohe deutsche Grenzwert wird hier zu 17 Prozent ausgenutzt, der Schweizer Vorsorgewert allerdings wird schon um das 18-fache überschritten, der vom Umweltinstitut München e.V. empfohlene Salzburger Resolutionswert ca. um das 800-fache.”

So kommt denn auch die Bus-Studie zum Schluss, das im Rahmen eines Vorsorgemodells in Bezug auf die unbeteiligten Passagiere das Nutzen eines Mobiltelefons – und damit heute eines Smartphones – eher nicht erlaubt werden sollte [1]:

“In Bezug auf die 26. Bundensimmissionsschutzverordnung hat das Messprojekt keine Überschreitung der geltenden gesetzlichen Grenzwerte erbracht. Wegen der zuvor genannten erheblichen Auswirkungen auch auf unbeteiligte Buspassagiere kollidiert die Erlaubnis zum Telefonieren in öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch mit einem Minimierungsgebot, so sich einzelne Städte und Gemeinden ein solches im Zuge von Vorsorgemodellen freiwillig auferlegt haben

Heute, 14 Jahre nach der Bus-Studie, stellt sich die Situation jedoch noch einmal anders da. Denn inzwischen gibt es zahlreiche Studien (u.a. US NTP-Studie, Report der BioInitiative und WHO Einstufung als mögliches Karzinogen) welche für mich für mich ganz klar belegen, das die aktuell in Deutschland geltenden ‘gesetzlichen Grenzwerte’ keine Menschen (und insbesondere keine Kinder und heranwachsende) schützen.

Fazit: Heute ist alles schlimmer

Das dramatische an der heutigen Situation ist jedoch, das nicht mal ab und zu ein Gespräch im Bus oder der Bahn geführt wird – sondern das während des Berufsverkehrs ggf. dutzende von Smartphones im Abstand von wenigen Metern zu mir dauernd aktiv sind. Die durchschnittliche kumulierte Belastung dürfte damit heute deutlich größer sein  (Faktor 10-1000?) – im Vergleich zur Situation Anfang 2000 und wenn dort wirklich mal 1-3 Menschen dauernd telefonieren.

Dazu kommt dann noch die potentiell schädlichere auf CDMA basierende Modulation von 3G und insbesondere 4G – sowie der Fakt das quasi dauernd ‘Daten-telefoniert’ wird. Wo man sich früher ggf. noch mal umsetzten konnte – ist dies heute faktisch nicht mehr möglich, da fast jeder Mitreisende auf seinem Smartphone ‘rumdaddelt’.

Zusammenfassende Gedanken zu der Belastung & den Auswirkungen

In der US NTP-Studie wurden die Ratten mit der Mensch-Äquivalenten Dosis eines Mobiltelefons (GSM & CDMA) bestrahlt – was über die Zeit zu Krebs & Co. führte. Wenn ich nun 1-1,5h Fahrt in ÖPNV währen des morgendlichen und abendlichen Berufsverkehrs ansetze…

  • mit bis zu 30 oder mehr mitfahrenden in einem Zug-Abteil bzw. im Bus,
  • und ca. 10 davon in nächster Nähe,
  • wobei fast alle mit dem Smartphone herumspielen und dabei Daten bzw. Funkverkehr erzeugen,
  • wobei die Smartphones dann oft in einer der höchsten Sendestufen senden und
  • das noch mit LTE-Modulation

… dann wird mir unwohl.

In bestimmten Hot-Spot-Bereichen könnten dann sogar die ‘gesetzlichen Grenzwerte’ überschritten werden – wobei ich mich ja schon über die diese ‘Grenzwerte’, welche eher die Geschäftsmodelle der Firmen vor den Menschen schützen, ausgelassen habe.

Da inzwischen fast überall noch WLAN-Hotspots in Bus & Bahn installiert werden – denke ich, das es ein langer Weg ist, die jeweiligen Verkehrsverbände und Bahn-Betreiber davon zu überzeugen EMF-Freie Zonen einzurichten. Ggf. hilft jedoch der Hinweis, das mit 30+ aktiven Telefonen im Bus & in der Bahn selbst die gesetzlichen Grenzwerte in der Regel erreicht bzw. überschritten werden könnten. Mal schauen… Denn zusätzlichen Krebs-, Zell- und Neuro-Stress brauche ich so wenig wie einen Kropf am Hals.

 


Quellen / Links

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