Lactoferrin – eine Alternative zu Eisen-Supplementen? Nicht so einfach!

Lactoferrin - Eisensupplement aus Milch - funktioniert das?

Lactoferrin: Ein Eisensupplement aus Milch – funktioniert das? Quelle: Pixabay

Lactoferrin wird teils als probater Weg seinen Eisenwert zu steigern vermarktet und da gibt es aktuell wohl eine große Menge mit Botschaften, welche diesen “Hype” füttern. Doch ist das die volle “Wahrheit”? Nein, so einfach ist es nicht, denn es gibt nicht nur “ein” Lactoferrin und Lactoferrin hat auch ein paar Nachteile über die kaum jemand, speziell kein Verkäufer, schreibt. Ich habe mir mal

  • einige Studien im Detail angeschaut und gekuckt was die da überhaupt verglichen haben…
    • Vorweg: Die interessanten Dinge stehen oft nicht im Abstract….
  • einiges negatives in Bezug zu Lactoferrin und dem Gehirn gefunden…
    • u.a. in Bezug auf den Eisentransport über die Blut-Gehirnschranke, der Pro-Oxidativ wirken kann.
  • und Gedanken gemacht das Lactoferrin (je nach Form) Eisen “chelieren”, also ausleiten könnte.
    • Also das Gegenteil von dem macht für was es (teilweise) verkauft wird – was nicht schlecht sein muss!

Mein Vor-Fazit: Ich selber würde (abgereichertes) Lactoferrin potentiell nur zur Senkung des Eisenwertes im Körper einsetzen, wobei hier eine Blutspende effektiver und mit potentiell weniger Nebenwirkungen geschieht. Das ist das einzig Positive, was ich der Geschichte um Lactoferrin abgewinnen kann. Allerdings dürfte es schwer werden explizit abgereichertes Lactoferrin zu beziehen.

Hinweis: Hier geht es zum Eisen-Übersichtsartikel

Was ist Lactoferrin ?

Es ist ein ‘Eisen bindendes’ (Glyko-) Protein der Milch und soll angeblich die Aufnahme von Eisen verbessern – ohne negative Effekte wie bei den üblichen Eisen-Supplementen (- >oxidativer Stress, Durchfall, etc.). Zudem werden Lactoferrin noch weitere positive Effekte zugeschrieben, u.a. antioxidative, immun-stimulierende, antivirale und anti-mikrobische Eigenschaften [1][2][3][4][5][6]. Dabei gibt es wohl drei verschiedene Formen von Lactoferrin mit jeweils verschiedenen Eisen-Sättigungen (Angaben in Prozent) [14]:

  • (Abgereichertes) Apo-Lactoferrin (< 4%),
  • natürliches Lactoferrin (15-20%)
  • (Angereichertes) Holo-Lactoferrin (>90% Sättigung)

Handelsüblich ist das wenig gesättigte natürliche Lactoferrin. Lactoferrin selber ist eines der aktivsten Bestandteile des Kolostrums (-> die erste Form der Muttermilch bzw. Vormilch) und hat eine hohe Affinität zu Eisen. Das deutet, dass es ~ 5 mal so viel Eisen absorbieren kann wie es enthält [8]. So soll Lactoferrin das Eisen rund um eine Infektion binden und so die Reproduktion von ungünstigen Bakterien & Keinen hemmen. In der Wikipedia steht dazu [11]:

“Vom Organismus wird Lactoferrin eingesetzt, um Bakterien das lebensnotwendige Eisen zu entziehen. Da Bakterien essentiell auf Eisen angewiesen sind, wirkt die Eisenverarmung antibakteriell.

Lactoferrin soll nicht nur Eisen binden und ggf. anderweitig wieder abgeben, sondern ggf. auch Zink, Kupfer und sogar Mangan und Aluminium [15]. Die Freisetzung (zumindest) von vormals gebundenem Eisen aus Lactoferrin ist dann pH-Wert abhängig und beginnt ab pH-Werten von unter 3 und verstärkt ab Werten von unter 2,5 [15]. Die Interaktionen, je nach Sättigung mit verschiedenen Metallen sind dann auch wieder vielfältig [16] und ich denke das alles aufzuarbeiten wäre ein etwas umfangreiches Stück (Recherche-) Arbeit, was jedoch außerhalb des Fokus dieses Artikels liegt.

Ist Lactoferrin “besser” als andere Eisen-Supplemente?

Aufgrund der vielen durchaus positiven Eigenschaften wird Lactoferrin von einigen Wissenschaftlern sogar als “Mittel der Wahl” für eine Eisen-Supplementation bei schwangere Frauen empfohlen, zumindest im “Abstract” einer von mir gesichteten Meta-Studie [5]:

“Thereby, lactoferrin should be the iron replacement agent of choice for treatment of IDA in pregnancy.”

Im Vergleich zu Eisen-Sulfat Präparaten (‘ferrous sulphate’) sollen dann auch weniger Probleme im Darm auftreten [5]:

“Significantly less gastrointestinal side effects were reported with lactoferrin treatment.”

Letzteres wundert mich nicht, da Lactoferrin nur sehr wenig Eisen enthält und es oft mit Eisensulfat verglichen wird, der nun wirklich schlechtesten Eisenform für eine Eisen-Ergänzung.  Insofern ist so etwas für mich solche Aussagen bzw. Weisheiten mehr Marketing als Hilfreich.

Die positiven Geschichten – zu gut um wahr zu sein?

Das im Lactoferrin gebundene Eisen soll dann an anderer Stelle wieder dem Körper zur Verfügung gestellt werden. Wie das jedoch passiert und wie gut ist mir zumindest noch unklar. Denn im Magen ist der pH-Wert zwar unter 2,5, so das Lactoferrin Eisen abgeben könnte, jedoch nicht im Dick- (pH-Werte 5,5-6,5) und Dünndarm (pH-Wert 6-8) – wenn ich das ganze richtig verstanden habe.

Im Buch ‘Die Milchlüge’ [7] wird Lactoferrin im Zusammenhang (als Bestandteil der Milch) in Verbindung mit neurodegenerativen Krankheiten gebracht. Die Autorin schreibt:

Stop - Lactoferrin

Stop! Quelle: Pixabay

“Es wird vermutet, dass beim Verzehr von Kuhmilch Laktoferrin durch die Darmmembran ins Blut wandert und von dort die Blut-Hirn-Schranke passiert, wo es an bestimmte Rezeptoren andockt. Hier ruft es durch das mitgeführte Eisen die Bildung freier Sauerstoff-Radikale hervor, wodurch oxidativer Stress entsteht und letztlich Schädigungen wie das Absterben von Gehirnzellen.” [12]

Das wäre jetzt nicht so schön. Ich habe etwas in Pubmed etwas gesucht und noch eine weitere Studie zum Thema gefunden in der ähnliches steht [10]:

“It is possible that in these neurodegenerative disorders affected neurons either take up or synthesize lactotransferrin to an abnormally elevated rate. An excessive accumulation of lactotransferrin, as well as transported iron and aluminum, may lead to a cytotoxic effect resulting in the formation of intracellular lesions and neuronal death.”

Das hört sich ebenfalls nicht gut an. In wieweit die neueren Studien die beiden Studien aus den 90’ern ggf. widerlegt haben, kann ich nicht sagen – ich habe keine zu dieser Thematik gefunden. Es scheint mir, das sich neuere Studien auf die Vorteile konzentrieren, jedoch nicht mögliche Probleme.

Interessant ist jedoch, das der Anteil an Lactoferrin im Speichel als Indikator für die Schwere von Alzheimer genutzt werden kann – und das ist eine Studie aus 2017 [9]. Meint: Wenn im Speichel viel Lactoferrin enthalten ist, dann ist da auch viel Alzheimer. Aus der Studie dazu:

“We have discovered and validated a new single saliva biomarker, lactoferrin, which in our cross-sectional investigation perfectly discriminates clinically diagnosed aMCI and AD patients from a cognitively healthy control group.” [9]

Irgendwie macht mich das sehr nachdenklich -> “3 mal was mit dem Gehirn”. Zwar bedeutet das nicht direkt, das oral eingenommenes Milch-Lactoferrin schädlich sein muss, aber irgendetwas stimmt für mich an der ganzen ‘positiven’ Geschichte über Lactoferrin nicht. Warum? Körperfremde Milch-Proteine haben keine gute Geschichte und können z.B. bei Leaky-Gut oder Unerträglichkeit ganz klar Immunreaktionen auslösen. Wenn dazu jedoch noch eine Problematik mit den Transport von (zu viel) Eisen in das Gehirn kommt – autsch.

‘Antibakteriell’ hört sich ja zuerst schön an…

Wenn Lactoferrin Bakterien das Eisen über deren Membran hinweg Entzieht, dann ist es ja eher ein starker Eisen-Chelator, also eine Substanz die eine wirklich sehr starke Affinität zu Eisen hat. Diese Wirkung bestätigt auch A. Hall Cutler (-> Buch: Amalgam Illness), der es als mögliches mittel bei hohem Eisen empfiehltum dies zu senken.

Den Eisen-Chelator-Gedanken weiter gesponnen…

Die Ernährungsberaterin Stein [8] in Bezug auf das Buch ‘Die Milchlüge’:

“Erfolgt also zusätzlich zur Aufnahme von Eisen eine Zufuhr von Lactotransferrin (z.B. Haferflocken mit Milch), bindet das Milchprotein eine große Menge des Eisens aus der Nahrung und macht es somit unverwertbar für die menschliche Verdauung. Werden Milchprodukte in hohem Maße mit jeder Mahlzeit konsumiert, kann durch die Ausleitung des Eisens durch Lactotransferrin ein gravierender Eisenmangel entstehen.

Solch eine Aussage halte ich für etwas überzogen, da es wohl das a) das Calcium in der Milch sein dürfte, was die Eisen- (Fe-) Aufnahme reduziert. Weiterhin dürfte die Menge des natürlichen Lactoferrins gering sein und zudem wird in der Milch eher kein abgereichertes Lactoferrin sein.

Ein tieferer Blick in eine Lactoferrin Meta-Studie

Weil ich all diese Daten verwirrend fand, habe ich mal tiefer in die Meta-Studie mit den schwangeren Frauen geschaut [5]. Dort werden unter anderem 4 verschiedene Studien aus Italien und Ägypten mit je ca. 100-300 schwangeren Frauen herangezogen.

Die gemessenen Blutwerte waren wenige, zwei Studien konzentrierten sich u.a. auf den Serum-Ferritin Wert und die aus Ägypten konzentrierte sich nur auf den Hb-Wert. Das ist ziemlich schwach. Weiterhin waren die Gaben an Lactoferrin mit 200-250 mg / Tag über 4 bzw. 8 Wochen nicht sehr hoch (absurd wenig?) – und einmal mit 30% Eisen angereichert. Alternativ wurde in den Vergleichsgruppen 520 mg (oder mehr) Eisensulfat gegeben, was 100 mg bzw. 150 mg elementarem Eisen entspricht. Ganz schön viel, denn Eisensulfat ist nun wirklich das Eisen-Supplement mit den meisten gastrointestinalen Nebenwirkungen und ist kein guter Vergleichsmaßstab.

Die Autoren der Studie [5] schreiben dann selber am Ende:

“The reasons for downgrading the evidence included unclear reporting of study methods in some trials (especially with respect to randomization, allocation concealment and blinding), high heterogeneity in hematological outcomes and there is lack of answer to some secondary outcomes, while others were included in only one or two studies (Table 2). Thereby, it could be argued that findings of this meta-analysis should be interpreted with caution

Wie die Autoren aus der Datenlage dann ableiten, das Lactoferrin ein Mittel der Wahl bei Schwangeren mit Eisenmangel sein sollte erschließt sich mir nicht nicht ein Stück. Wie ich schon in meiner Analyse der PURE-Studie belegt hatte, sind viele Studien oft widersprüchlich bzw. nutzlos. Warum? Ohne die genauen Hintergründe, die Verstrickungen, das Studiendesign und die Sponsoren zu kennen kann man oft nichts mehr glauben bzw. muss alles nochmals hinterfragen.

Für mich hat es schon einen Beigeschmack, das die Autoren im (meist kostenpflichtigen) Volltext der Meta-Studie [5] ziemlich viel Einschränken machen, jedoch in der veröffentlichten Kurzversion bei PubMed (Abstract) – welche frei einzusehen ist – etwas schreiben bzw. empfehlen, was ich nach dem Lesen der Studie nie folgern würde. Für mich ist das schon eine ziemliche Irreführung.

Mein (aktuelles) Fazit

Zwar übersteigt einiges in Bezug auf den möglichen Mechanismus, mit dem das Lactoferrin ggf. das Eisen im Darm wieder abgeben könnte, (aktuell) meinen Horizont bzw. meine Zeit. Ich sehe bei der sich mir dargebotenen Datenlage keinen nachvollziehbaren Grund von gut verstandenen Eisen-Supplements (u.a. Eisen-Bisglycinat) auf (Kuhmilch-) Lactoferrin zu wechseln. Den das sollte die erste Frage sein: Warum nicht Eisen-Bisglycinat? Warum vergleichen die (meisten oder alle) Studien zu Lactoferrin dies nicht mit dem Eisenpräparat, das gut verfügbar ist, viel günstiger als Lactoferrin ist und, nach Studienlage, wenig Nebenwirkungen hat?

Denn eines muss klar sein: Das Lactoferrin was verkauft wird, ist nicht das stillender “Menschen-Mütter”, sondern das milchgebender Kühe. Und auch bei Kühen erfüllt Lactoferrin seine Aufgaben nur beim Kalb, solange dies noch gestillt wird. Wenn nun dieses Kuh-Lactoferrin aus dem Milch isoliert, getrocknet und von erwachsenen Menschen verzehrt wird… – hmmmm.

Weiterhin ist oft nicht klar welchen Eisengehalt das jeweils käufliche Lactoferrin hat. Bei den Packungen, die ich gesehen hatte, stand dies nicht dabei. Ungut. Der Gehalt müsste eigentlich bei jeder Charge durch ein Labor festgestellt werden.

Das A. Hall Cutler dann auch noch Lactoferrin als Eisen-Chelator erwähnt [17] ist zwar interessant für die Menschen mit Eisenüberschuss, macht die Situation für die mit Mangel nicht besser. Genau aber das ist auch meine Interpretation zum Verhalten von (abgereichertem) Lactoferrin und für mich die beste Nachricht, denn viele Menschen haben ein Problem mit zu viel Eisen. Allerdings wären mir hier die potentiellen (schädlichen) Seiteneffekte, wie auch bei IP6, zu groß. Dann nutze ich doch lieber den Aderlass bzw. eine Blutspende um das überschüssige Eisen “loszuwerden”.

Das Lactoferrin gegen pathogene Keime, Candida & Co, wirkt bezweifele ich nicht, jedoch ist mal wieder die Frage ob das Gesamtpaket passt. Wer (wirklich!) zu wenig Eisen hat, der müsste meines Verständnisses nach intermittierend mit Eisen-Bisglycinat ergänzen. Da das Supplement-Lactoferrin aus (Kuh-) Milch produziert wird, könnte es, je nach Produktionsprozess, ggf. noch relevante Anteile von Rest-Milcheiweiße (-> potentielle Allergene) enthalten, was auch nicht für jeden passen muss.

Irritierend fand ich dann auch, das in den Eisen-Studien nur ca. 250 mg / Tag Lactoferrin gegeben wurden – jedoch die Verzehr-Empfehlungen auf den Pulvern deutlich höher ausfallen. So scheint die Dosis Anwendungsvariabel, wobei es bei hohen Dosen (-> Mausstudien) zumindest keine scheinbaren kurzfristigen Probleme gab [13]. Aber Menschen sind keine Mäuse nd leben länger. Alzheimer & Co. lassen erst nach vielen Jahrzehnten grüßen.

Das war nun das allgemeine Bild das sich für mich ergab, wenn man eine kurze Internet-Recherche macht und auch mal selber in die Studien, also den Volltext, hineinschaut. Viel positives, irritierende Vergleiche, aber nichts wirklich detailliertes zu ggf. langfristigen Nebenwirkungen – vor allem nicht in den Populär-Influencer-Verfassten Artikeln.

Ergänzung: Welche “richtigen” Eisen-Produkte würde ich nutzen?

Vorab ein wichtiger Hinweis: Eisen sollte nur ergänzt werden, wenn es wirklich fehlt. In der Regel ist dann das Serum-Ferritin <= 18ng/ml und Hb <=12 g/dl (Frauen) bzw. <13 g/dl (Männer), sowie zumindest MCH und MCHC niedrig. Mehr zur Diagnose und relevanten Blutwerten findet Ihr in meinem Eisen-Übersichtsartikel.

Folgende Produkte mit Albion Ferrochel-Eisen (Eisen-Bisglycinat) bei iHerb sind aus meiner Sicht nutzbar wenn Eisen fehlt:

Alternativ noch, wenn Bisglycinat nicht funktionieren sollte:

Relevant ist die Verträglichkeit. Mein Favorit ist auf jeden Fall das Produkt von Bluebonnet, zusammen mit 1 g Ascorbinsäure.


Ach ja: Wenn Ihr bei iHerb etwas bestellen solltet, dann gebt bitte den 5% Rabatt-Code “HER2060“ an – und tut mir damit einen kleinen Gefallen.


Quellen / Links

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