Superfood-Bullshit-Parade Teil 2: Roher Kakao, Algenpulver, Chia-Samen und (oxidiertes) Leinlöl

Hier stinkt etwas - Die Superfood Bullshit Parade

Hier stinkt etwas :-). Quelle: Pixabay

Heute zum zweiten Teil der ‚Superfood-Bullshit-Parade‘. Diesmal geht es um rohen Kakao, Algenpulver (Chlorella, AFA und Spirulina) sowie die Omega-3 Lieferanten China und Leinöl (nicht Leinsamen!)

Im ersten Teil habe ich vorgestellt wie aus ‚Abfällen‘ (Presskuchen & Co.) Superfoods bzw. Nahrungsergänzungsmittel werden. Dieses mal möchte ich auf zwei Nahrungsmittel eingehen die ggf. gesundheitlich nachteilig wirken:

  • Algenprodukte und
  • roher Kakao

sowie zwei Omega-3 (ALA) Lieferanten, einmal:

  • Chiasamen und zweitens
  • Leinöl,

wobei jeder dieser beiden so seine eigenen Probleme hat die kaum thematisiert werden.

Roher Kakao (u.a. Kakao-Nibs)

Kakaobohnen

Kakaobohnen . Quelle: Pixabay

ist wohl grundsätzlich der Kakao der Baumgattung Theobroma cacao, welcher in Mittel- und Südamerika vorkommt. Dabei werden die Kakaobohnen gewaschen, getrocknet und mehrere Tage in der Sonne fermentiert wobei danach die Schale entfernt wird [1] – jedoch werden die ‚Nibs‘ bzw. die Rohe Schokolade nicht geröstet [2]. Wer meinen Bericht über Cadmium in Kakao verfolgt hat, der wird sich erinnern, das gerade der Kakao aus Süd- und Mittelamerika ein heftiges Cadmium-Problem hat…

Was zusätzlich in Bezug auf ‚rohen‘ Kakao nicht thematisiert wird, ist: Cacao steckt voller Antinährstoffe (Hydrocyanate -> HCN, Oxalate, Theobromin, Tannine, Phytinsäuren, etc. Je länger Kakao fermentiert und verarbeitet wird (-> insb. das erhitzen!) desto mehr werden die Antinährstoffe angebaut – allerdings auch die stimulierenden Methylxanthine [3]. Aus einer Studie:

„The antinutrients, HCN, oxalate, and theobromine decreased with increasing duration of fermentation. The decreases for days 6, 9 and 12 were significant (p <0.05). The results are discussed with regard to optimization of the duration of cocoa fermentation for improved nutrient profile.“ [4]

Für die normale Schokolade wird dann der Kakao noch weiter behandelt – in einen pH-Bad (‚Dutch processing‘), was den Kakao weniger Bitter macht – und ca. 90% der Flavonoide entfernt (wozu neben ‚guten‘ Substanzen auch Antinährstoffe wie Tannine gehören) [1]. Ein weiteres Problem scheint Blei zu sein: Die Kakaobohne selber enthält wenig Blei (0.103 bis1.78 ng/g, im Mittel 0.512 ng/g) – in Schokolade finden sich jedoch deutlich höhere Mengen (21 ng/g in Milchschokolade in Australien, ca. 1,920 ng/g in einer Indischen Studie und 310 ng/g Blei in Schokoladenpulvern aus Nigeria) [5]. Wo die 20 ng/g mit einem Apfel vergleichbar sind, sind die Werte > 200ng/g nicht mehr akzeptabel. Die konkreten Kontaminationsquellen sind jedoch noch nicht identifiziert.

Hinzu kommen wohl auch, das die native Bevölkerung nur die Frucht der Theobroma gegessen hatte und nicht die Kakao-Bohnen (Samen), welchen eher psychodelischen (Ahyuwasca), medizinischen und spirituellen Anlässen vorbehalten war [6]. Das ganze passt auch in die Theorie von Dr. Gundry in seinem Buch ‚Plant-Paradox‘ – in Bezug auf die Antinährstoffe und den Schutz der Samen eine Pflanze durch eben diese.

Was bleibt?: Roher Kakao (aus Südamerika), der ja implizit Sortenrein ist, hat schön viel Cadmium (meiner nach Hersteller >0,7 mg / Kg, knapp unter den neuen (und nach BfR) zu hohen EU-Grenwerten. Dazu gesellen sich noch deutlich mehr Antinährstoffe als bei höher verarbeiteter verarbeiteter Kakao. Bei den in Bezug auf Cadmium empfohlenen sehr geringen Tagesmengen um 25 g ist nicht zu erwarten, das irgendwelche (noch enthaltenen) Inhaltsstoffe positive Wirkungen auf den Körper haben werden. Kakao ist deswegen für mich ein reines Genussmittel – wie auch Kaffee. Einen (gesundheitlichen) Vorteil von rohem Kakao gegenüber höher verarbeiteten (z.B. Bitterschokolade) – kann ich nicht erkennen (eher das Gegenteil). Der hohe Preis für weniger Verarbeitung ist dann für mich das K.O.-Kriterium.

Bullshit-o-meter: 3 (von 5)

Chia-Samen

Chia Samen

Chia. Quelle: Pixabay

Diese Samen stammen aus Südamerika und sind seit ein paar Jahren bei uns „total Hipp“ – wegen Omega-3 & Co. Zudem sollen Sie schlank machen, Kraft schenken, weil die (Maya-)Krieger früher angeblich Chia-Samen gegessen hatten. Viele (verkaufsfördernde) Mythen hat die alternative Lebensmittelindustrie um Chia gesponnen, welche dann davon vielen Bloggern & Co. in sozialen Medien aufgegriffen und multipliziert wurden.

Grundsätzlich ist fest zu halten, das Chia-Samen vom Fettsäureprofil (Omega-3/6 Ratio) sehr ähnlich zu den heimischen und viel günstigeren Leinsamen sind. Da es noch keine große Erfahrung in Europa mit Chia-Samen gibt und auch die Forschung erst in den letzten 1-2 Jahren richtig zulegt [11], hat die EFSA die Beigabe von Chia-Samen z.B. zu Brotprodukten stark begrenzt. Zweifel bestehen noch im Aspekt der Anti-Nährstoffe und potentieller allergener Wirkungen [10]:

„There are uncertainties with regard to the potential allergenicity of chia. The presence in the intended NF ingredient of constituents which might exert anti-nutritional or toxic effects cannot be excluded. Adequate toxicological information on chia seed is not available and the human data provided to the Panel are limited. Therefore the safety of chia cannot be established from the available information and additional studies are required.“

Spannend war für mich, das Chia-Samen explizit auf der No-Liste von Dr. Gundry (‚Plant-Paradox‘) auftauchen – was klar nahelegt, das Chia-Samen eine Lektin-Problematik haben (->  nach [7] Entzündungsfördernd) und was die Vermutungen der EFSA bestätigen würde. Problem: Unsere (West-Europäischen) Körper sind bis vor ein paar Jahren noch nie mit Chia-Samen in Kontakt gekommen -> Genetik, Magen & Darmflora konnten sich darauf noch nicht anpassen bzw. adaptieren.

Auch das an den schlankheitsfördernden Behauptungen in Bezug auf Chia nichts dran ist belegt zumindest eine Studie aus 2009 [12]:

„In conclusion, ingestion of 50 g/d CS (Chiaseed) vs P (Placebo) for 12 weeks by overweight/obese men and women had no influence on body mass or composition, or various disease risk factor measures.“
Zwar sind Chia-Samen wegen den Ballaststoffen bekannt als Sattmacher [8, 9] – das machen Leinsamen jedoch auch. Ganz „krass“ wird es dann, wenn Chia-Samen (wie auch Leinsamen) einem Brot-Mix beigegeben werden – oder sogar auf der Oberfläche eines Brötchen kleben. Wie allgemein Bekannt sind Omega-3 Fettsäuren sehr Wärme-, Luft- & Licht-Instabil. Ein Erhitzen von Chia ist das letzte was man tun sollte. Das nächste Problem: Damit die Verdauung an die Fette herankommt müssen die Chia-Samen, genau wie bei den Leinsamen, vorher vermahlen werden. Da die Chia-Samen nun sehr klein sind, gestaltet sich das frische Mahlen oder Quetschen meist sehr schwierig.
Fazit: Teuer, höchstwahrscheinlich eine Lektin- bzw. entzündungsfördernde Problematik, schlecht zu Mahlen, ggf. noch mit Pestiziden belastet (Bio-Produkte) [8] und faktisch keine bekannten Vorteile in Bezug auf die günstigen und gut bekannten Leinsamen!
Bullshit-o-meter: 4 (von 5)

Leinöl

Die beste Verwendung für Leinöl

Die beste Verwendung für Leinöl. Quelle: Pixabay

Leinöl wird aus Leinsamen gemacht und ist ebenfalls wegen der vielen Omega-3 Fettsäuren (ALA) beliebt. Das ganze hat nur ein Problem: Omega-3 Fette oxidieren recht schnell – insb. an Licht, Luft und bei Wärme.

Wer meinen Bericht über die Fischölkapseln gelesen hat, der wird sich ggf. erinnern das die Omega-3 Fette aus Fischöl bereits nach 30 Tagen sehr stark oxidiert sind (TOTOX-Werte). Aus dem gleichen Grund soll man auch Leinsamen nicht groß auf Vorrat mahlen oder schroten, wobei Dr. Greger hier ca. 8 (optimistische) Wochen angibt. Beim Leinöl wird es nicht viel anders sein. Denn wo es früher eine Ölmühle in jedem Ort gab und das Öl immer frisch gepresst abgeholt und schnell verbraucht wurde – dominiert heute eine industrielle Großproduktion mit sehr langen ‚Haltbarkeitsdaten‘. Ob Leinöl  im Vergleich zu Leinsamen Sinn macht bezweifele ich jedoch stark…

Fazit: Leinöl ist sehr gut um damit Holz zu streichen und natürlich zu behandeln- denn Leinöl polymerisiert recht gut/schnell und bildet dabei eine harte Oberfläche. Nicht unbedingt etwas, das ich in meinem Magen & Darm brauche… Anstatt Leinöl sollten besser frisch gemahlene oder geschrotete Leinsamen verwendet werden – ansonsten frisch gepresst und innerhalb von 2 Wochen verbrauchen – Kühl, Dunkel und Luftdicht lagern.

Bullshit-o-meter: Bei industriellem Leinöl 4 (von 5)

 

Grün-Algen (Chlorella, Spirulina, AFA)

Chlorella Tabletten

Chlorella. Quelle: Pixabay

Auch über (Chlorella-)Algen hatte ich schon etwas geschrieben. Mein Fazit dazu ist knapp zusammenfassbar: Potentiell gefährlich in kleinen Dosen, weil es Quecksilber anscheinend mobilisieren – dann jedoch nicht unbedingt sicher Ausleiten kann. Dies führ dann unter Umständen zu einer Neuverteilung im Körper – mit den entsprechenden Vergiftungs-Symptomen.

Zu AFA-Algen hat das BgVV in 2001 folgendes verfasst [13]:

„Ein prinzipielles Problem bei der Verwendung von Mikroalgen als Nahrungsmittel ist deren Eigenschaft, toxische Substanzen wie Schwermetalle, Benzpyrene und Pestizide zu akkumulieren. Einige Cyanobakterien, wie auch Aphanizomenon flos-aquae, können darüber hinaus auch selbst Toxine bilden, so dass eine gesundheitliche Unbedenklichkeit des Verzehrs von Algenerzeugnissen nach dem jetzigen Stand der Kenntnis nicht garantiert ist. Auch der hohe Nukleinsäuregehalt von Algen stellt einen limitierenden Faktor bei der Verwendung als bzw. in Lebensmitteln dar.“

Da ich keinen Hersteller in Deutschland kenne, wird das meiste AFA-Algen wie auch Spirulina-Pulver aus Asien (u.a. China) kommen. Hier besteht hier ein deutliches Kontaminationsrisiko mit Schwermetallen, da dort auch offene Anlagen üblich sind – so die Algen nicht nur die Schwermetalle aus dem Wasser aufnehmen, sondern auch aus der Luft. Die Analysen die ich mir mal zuschicken lassen hatte waren alle nicht so toll.

AFA-Algen haben dann noch ein Problem mit Vitamin B12 – sie enthalten so-genanntes Pseudo-B12 ist, was unser Körper nicht verwerten kann [17]. Das Cyanobakterien (ala AFA) β-methylamino-ʟ-alanine (BMAA), ein Neurotoxin, produzieren können macht die Sache dann nicht besser [16].

In Bezug auf Spirulina kommt eine Meta-Studie aus 2010 zu folgendem Schluss [14]:

„At the moment, what the literature suggests is that Spirulina is a safe food supplement without significant side-effects but its role as a drug remains to be seen.“

Eine neuere Studie mit unterernährten Kindern in Kongo die 10g/Tag bekamen zieht ein recht gutes Resümee:

„In this pilot study, the administration of Spirulina at a dose of 10 g per day seemed to significantly and quickly improve the nutritional status of undernourished children.“

Allerdings ist Spirulina zur Verhinderung der Unterernährung ziemlich Kostspielig. ich denke für das gleiche Geld hätte man den Kindern auch anderes Essen geben können um die Unterernährung auszugleichen. Für das gleiche Geld gibt es dann auch schon sehr, sehr gute Multivitamin- & Mineralienpräparate (LEF, 2-Per-Day), welche sicher ein breiteres Spektrum abdecken als Spirulina.

Mein Fazit: Lieber das Geld für andere Sachen ausgeben. Die unbekannten Risiken in Bezug auf Qualität schrecken zumindest mich ab. Bei Chlorella gibts dann zwar Qualität aus Deutschland – jedoch sollte man wissen ob man eine Quecksilber- bzw. anderweitige Schwermetallbelastung hat. Von AFA-Algen mit Pseudo-B12 und anderen Risiken würde ich dann komplett absehen. Bei Spirulina sind mir die ‚Vorteile‘ zu unspezifisch.

Bullshit-o-meter: Chlorella 3 (von 5), Spirulina 2 (von 5), AFA 5 (von 5), 

Mein Fazit

Wieder viel Geld gespart! Keine Cyano- & Grünalgenprodukte mehr, kein teures Leinöl, keine sehr teuren Chia-Samen. Einfache Zartbitterschokolade mit 50-70% Kakao (und weniger Cadmium) anstatt Roh-Schokolade mit mehr Antinährstoffen – zudem günstige Leinsamen anstatt Leinöl und Chia. Fürs gesparte Geld gibt es mehr bzw. besseres Gemüse (Bio) – oder ein paar schicke Keimgläser für Brokkolisprossen!

Guten Appetit!


Quellen

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