Elektrosensitivität, EHS, MCS & die Forschungen von Belpomme (Diagnostik, Blutwerte, Oxidativer Stress, GSH, SOD, Histamin, S100 & Co.)
Prof. Dr. med. D. Belpomme ist ein französischer Forscher, welcher sich schon vor längerer Zeit mit der Erforschung der Ursachen und Behandlung bei Elektro-Hyper-Sensitivität (EHS) und Multipler-Chemikalien-Sensitivität (MCS) gewidmet hat. Das Thema ist hier im Blog ja nicht neu und wurde von mir schon in einigen Artikeln thematisiert, u.a.:
- Dr. Volker von Baehr (IMB Berlin) zu chronischen Entzündungen,
- Dr. M. Pall in Bezug auf Ernährung & Supplemente bei EHS/MCS,
- Dr. Belpomme und Prof. O. Johansson zu EHS und Histamin-Intoleranz sowie
- meinen eigenen Überlegungen zu Teufelskreislauf des 21sten Jahrhunderts durch EMF, oxidativem Stress & Co.
Bei M. Pall fand ich die grundsätzliche Pathologie (-> VGCC-Aktivierung, NOS-Entgleisung, ONOO/Peroxinitrid) und mögliche Supplemente interessant, bei Baehr fand ich die Diagnostik (Laborwerte) und die Erweiterung des Modells von Pall um die chronischen Entzündungen sehr wichtig – und bei Belpomme und Johansson die Histamin-Thematik, aber auch grundsätzliches zu Gemeinsamkeiten (Diagnostik, Symptome) von an EHS und MCS erkrankten Menschen. Wichtig für alle betroffenen ist, das nach Belpomme [6]:
“Elektrohypersensitivität (EHS) eine neue von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte Behinderung ist” [12]
So gibt es zwar (noch) keinen eigenen (dedizierten) ICD-10 Code für EHS, aber nach nach Glossar der KBV kann der ICD-10 Diagnose-Code Z-58 für die Elektrosensitivität (ES) verwendet werden.
In diesem Artikel möchte ich nun etwas genauer auf die Forschungen und Daten von Dr. Belpomme eingehen – und versuchen zu identifizieren ob sich aus diesen Daten etwas sinnfälliges und in der Praxis nützliches ableiten oder extrahieren lässt. Dazu habe ich mir einige Studien angeschaut und einiges zusammengefasst:
- Die neue Studie (2020) von Belpomme & Irigaray zu EHS, MCS – der Diagnose, der Behandlung und der Prävention
- Der Diagnostik & Blutwerte bei Menschen mit EHS & MCS nach Belpomme (Studien aus 2010 & 2015)
- Der Studie zu oxidativem Stress bei EHS & MCS von Belpomme et al. (Studie aus 2018)
- Die Ergebnisse in Bezug auf Blutwerte von Belpomme & Irigaray (Studie 2018)
- Die Zusammenfassung des möglichen pathologischen Mechanismus nach Belpomme et al.
- Und einiges an Kritik bzw. blinden Flecken…
Am Schluss folg mein übliches Fazit, u.a. mit einem Hinweis auf meine 2 Lieblings-Supplemente bei EMF & eigentlich allem.
Hinweis: Für mehr zum Thema EMF, Mobilfunk & Co. schaut mal auf meine Seite zu EMF & Co.
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Belpomme & Irigaray zu EHS, MCS – der Diagnose, der Behandlung und der Prävention (Studie aus 2020)
Dr. Belpomme hat zusammen mit Philippe Irigaray schon einiges publiziert (dazu unten mehr) und nun – ganz aktuell Anfang 2020, eine weitere Studie veröffentlicht. In dieser Studie fokussieren beide noch einmal auf den Zusammenhang von EHS und MCS – und auch, das EHS ganz klar diagnostiziert und behandelt werden kann. Gerade letzteres ist wichtig, damit die EHS endlich einen eigenen & dedizierten ICD-10 Code bekommt, so das betroffene hier endlich Hilfe auf Kassenleistung erhalten könnten und nicht ‘psychologisiert’ werden.
Was zeichnet eine EHS aus? Nach Belpomme & Co. wird diese u.a. durch verschiedene, u.a. neurologische, Symptome charakterisiert [24]:
- Kopfschmerzen, vegetative Nervendysfunktion und verminderte kognitive Fähigkeit
- einschließlich des unmittelbaren Gedächtnisverlusts, des Mangels an Aufmerksamkeitskonzentration
- Tinnitus, Hyperakusis, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen,
- oberflächliche und/oder tiefe Sensibilitätsanomalien,
- Fibromyalgie,
- etc.,
wobei diese Symptome auch mit chronische Schlaflosigkeit, Müdigkeit und depressiven Tendenzen assoziiert sind. Die Symptome, ausgelöst von EHS & MCS, haben dabei eine sehr hohe Überschneidung – was auf eine ähnliche Kausalkette in der biochemischen Pathologie schließen lässt. In der Studie findet sich dann auch eine sehr große Tabelle zu den Symptomen und der statistischen Häufung, basierend auf einer Datenbasis von ca. 2000 Patienten.
Spannend ist für mich, das EHS & MCS oft zusammen auftreten und das Frauen wohl anfälliger sind (66-76% der Betroffenen). So entwickeln dann auch 30% der zuerst nur von MCS betroffenen mit der Zeit eine EHS – und 63% der zuerst nur von EHS betroffenen entwickeln irgendwann eine MCS! Dabei steigt die Gesamtzahl der Betroffenen wohl stetig, wobei es seit ca. 2010 keine neuen, halbwegs repräsentativen, Studien mehr gibt… Nach Zahlen von Belpomme und meinen Recherchen kann man aktuell sicher von >10-20% der Bevölkerung ausgehen die in irgend einer Art und weise direkt betroffen ist – ohne die Symptome auf eine Elektrosensitivität oder EHS zurückzuführen.
Grundsätzlich führen Belpomme & Irigaray die Symptome auf einen erhöhten oxidativen Stress im Körper zurück – worauf ich gleich noch im Detail eingehen werde. So sind denn auch entsprechende Marker (u.a. GSH/GSSG, SOD, Histamin, hsCRP, IgE) entsprechend erhöht oder erniedrigt. Es gibt aber auch Hinweise auf die Öffnung der Blut-Hirn Schranke (S100B) und Autoantikörper gegen O-Myelin (weiße Masse im Gehirn).
Ganz wichtig: Im 24h Urintest ist 6-Hydroxymelatonin (6-OHMS), ein Metabolit von Melatonin, bei 88% der EHS-Betroffenen, signifikant erniedrigt! Belpomme & Irigaray gehen hier von einer verminderten Produktion an Melatonin aus – was auch etwas ist, was klar mit EMF-Expositionen assoziiert ist. Alternativ kann Melatonin auch erniedrigt sein, weil dieses vom Körper vermehrt auch als Antioxidant verwendet wird. Wie auch immer: chronisch niedrige Melatonin-Spiegel sind problematisch und erzeugt multiple neurologische Probleme, u.a. bei Schlaf & Co.
Leider klappt das mit den Blutwerten wohl nur bei ca. 70% der ca. 2000 (‘Self-reporting’) EHS-Patienten von Belpomme – zusätzliche Marker wären also sinnvoll. Mit Hilfe der Ultraschall-Zerebraltomosphygmographie (UCTS) Untersuchung der temporale Lappen bei vielen EHS-Patienten konnten Belpomme et al. nun eine signifikante Abnahme des mittleren pulsometrischen Index in der Mitte des von der Hirnarterie abhängigen Gewebebereiches dieser Lappen, insbesondere im Kapsel-Thalamus-Bereich, aufzeigen. Auch war der Blutfluss in diesem Strukturen vermindert. Klingt kompliziert – ist es wohl auch. Sicher keine 0815-Diagnose.
Andere Kriterien waren dann noch profunde Mängel beim Status von Zink & Vitamin D. In Bezug auf eine Behandlung erwähnen die Autoren als Maßnahmen dann noch Ginko Biloba und fermentierte Papaya , u.a. um den Blutfluss im Gehirn zu verbessern. Auch eine Verbesserung des Glutathion- (GSH) Status sein sinnvoll. Letzteres würde ich jedoch nicht mit oralem Glutathion machen.
Diagnostik & Blutwerte bei Menschen mit EHS nach Belpomme (2010 & 2015)
Bevor ich zu den Forschung aus 2018 von Belpomme komme, möchte ich die kurz auf die älteren Studien eingehen. Auf Symptome.ch gibt es einen schönen Übersichtsartikel in Bezug auf Belpommes Veröffentlichungen aus 2010 und 2015 [5][7]. Der Artikel fängt mit folgendem Absatz an, dem ich aus meiner Erfahrung zustimmen kann:
“Ungefähr 10 Prozent der Bevölkerung sind empfindlich gegen künstlich erzeugte elektromagnetische Felder. Hinzu kommt eine Dunkelziffer Betroffener, die noch nicht wissen, dass sie dazu gehören. Als möglicher Auslöser für Strahlenempfindlichkeit stehen Schwermetalle auf der Liste.”
Die 10% passen zu meinen eigenen Erkenntnissen und dazu, das Schwermetalle, insb. wohl Quecksilber (u.a. aus Amalgam-Füllungen), damit in Zusammenhang stehen. Auch belpomme ergänzt hier [7]:
Belpomme vermutet hier u.a. auch, das es Menschen gibt die eine genetische Prädisposition haben mehr Magnetosome zu besitzen bzw. zu produzieren, welche dann mit den EMF interagieren könnten [5]. Im Kern sieht Belpomme, so wie ich alles interpretiere, die (durch die Ursache ausgelöste) Problematik des oxidativen und nitrosativen Stresses in Form von zu viel NO und Superoxid (O2‾), was sich dann zu Peroxinitrid (ONOO) verbindet. Histamin ist hier für Belopomme ein wichtiger Mediator und Nitro-Tyrosin (NTT) ein wichtiger Marker (siehe auch Baehr) [5]:“It is worthy of note that metallic dental alloys are associated with release of heavy metals such as mercury, lead and cadmium into oral cavity [20,21] and so may contribute to EHS [11]. It has been shown that EMFs such as GSM frequencies emitted from mobile phone may induce or accelerate the mercury vapor release from dental amalgam [22] and consequently may contribute not only to EHS but also to MCS [23].” (Anm.: Referenzen von Belpomme hier in den Artikel übernommen)
“It is well known that histamine is a potent mediator of inflammation and is able to increase BBB permeability through oxidative and/ or nitrosative stress. So we looked for possible oxidative and/or nitrosative stress-related biomarkers of BBB disruption; and identified nitrotyrosine (NTT), because it results from the toxic effects of peroxynitrite (ONOO° – ) on proteins.”
Ein weiterer Marker ist wohl das S100B-Protein, welches wohl die Öffnung der Blut-Gehirnschranke (BBB) gut repräsentieren soll:
“Such a BBB opening marker has also been shown for the calcium-binding protein S100B, produced and released predominantly by perivascular astrocytes.”
Ich mag hier nicht das ganze Paper wiedergeben – jedoch beschreibt Belpomme darin wie EMF und Chemikalien über verschiedene Wege über Nitrostress, S100B, IgE, AGEs, inflammatorische Mediatoren, etc. die Mastzellen und damit die Histamin-Ausschüttung aktivieren. Zudem können auch aktivierte Astrozyten wieder Zytokine produzieren die dann ebenfalls auf die Mastzellen wirken. Alles ein riesen sich selbst verstärkender Kreislauf.
Spannend ist dann aber was er an Biomarkern und Blutwerte gemessen hatte. Symtpome.ch fasst es folgendermaßen zusammen [7]:
Marker | Bedeutung | Studie 2010 (% aller Fälle) | Studie 2015 (% aller Fälle) |
---|---|---|---|
Proteine S100B | Öffnung der Blut-Hirn-Schranke | 13.9 | 15 |
IgE-Antikörper | Humorale Immunantwort (Allergie) | 22,5 | — |
Histamin erhöht | Chronische Entzündung | 35,8 | 40 |
Chaperon-Proteine HSP27 und/oder HSP70 | Zellstress | 45 | 33 |
Auto-Antikörper gegen O-Myelin | Zellstress | 27,5 | 23 |
Nitrotyrosin erhöht | Oxidativer Stress | — | 28 |
24 h-Urin 6-Hydroxymelatonin Sulfat (6 Ohm) / Kreatinin-Verhältnis verringert | Verminderte Melatonin-Synthese | 33,3 | 100 |
Anmerkung: Die Studien-Daten 2015 basierend auf 727 Fällen, 521 (71.6%) mit EHS, 52 (7.2%) mit MCS und 154 (21.2%) mit EHS & MCS. Zu der Gruppe aus 2010 habe ich leider keine genaueren Angaben finden können.
Was nehme ich aus den Werten mit? Histamin und Melatonin-Synthese (-> fast alle Betroffenen gaben an Schlafprobleme zu haben) scheinen interessante Marker zu sein. die erhöhten Proteine HSP 27 & 70 sind dann wohl auch schon in anderen Studien in Bezug auf Marker für nicht-thermische Effekte von EMF aufgefallen. Insgesamt deutet jedoch alles auf inflammatorischen & oxidativen Stress hin, was gut zum pathologischen Ablauf den Baehr in in Erweiterung zu Pall aufzeigt.
Das S100 Protein steht wohl bei Erhöhung mit einer gesteigerten Durchlässigkeit der Blut-Hirnschranke in Verbindung [16][17], insb. bei EHS, CHS & Co [18]. Nach den Forschungen von Belpomme ist dieses jedoch ‘nur’ in ca. 14-15% der EHS/MCS Fälle erhöht. Ob das relevant ist? Keine Ahnung… Dr. Kuklinski gibt an, das hohe S-100 Konzentrationen toxische Wirkungen auf Gliazellen haben, da diese verstärkt NO synthetisieren. Hohe NO-Spiegel hemmen dann FeS-Cluster (Schwefel-Eisen-Cluster) in den Mitochondrien (Komplex I & II). Dadurch gibt es dann mehr Superoxid (O2‾), was sich mit dem NO zu Peroxinitrid verbindet (sehr, sehr ungute freie Radikale). So steigert denn auch Histamin die iNOS-Syntaseaktivität, was ebenfalls zu mehr NO führt. Wo da der Anfang und das Ende ist – mag ich nicht beurteilen.
Studie zu oxidativem Stress bei EHS & MCS von Irigaray & Belpomme et al. (2018)
In einer Veröffentlichung aus 2018 hatte Dr. Belpomme [6] 32 Menschen mit EHS in Bezug auf verschiedene Marker (-> Blutwerte) für oxidativen Stress (-> freie Radikale) untersucht. Oxidativer Stress hängt denn auch Elementar mit der ONOO-Thematik (Peroxinitrid) zusammen, welcher nach Pacher et al. [8] der zentrale Ursachenmechanismus für Alterung, die meisten (zivilisations-) Krankheiten und mehr verantwortlich ist.
Folgende Blutwerte hatte Belpomme untersucht [6]:
- Malondialdehyd-modifiziertes LDL (MDA-LDL)
- Marker für Fettsäureoxidation bei oxidativem Stress [9]
- Thiobarbitursäure-reaktiven Substanzen (TBARS)
- Ein weiteres Essay zu oxidativem Stress in Bezug auf Fettsäuren was etwas über MDA-LDL hinaus geht.
- Reduziertes Glutathion (GSH)
- Wenig GSH geht einher mit wohl möglich viel oxidativem Stress (u.a. H2O2)
- Oxidiertes Glutathion (GSSG)
- Viel oxidiertes GSH bedeutet viel oxidativer Stress (u.a. H2O2) Und/oder eine eingeschränkte GR.
- Gesamtmoleküle der Thiolgruppe (Total Thiols)
- Umfasst alle Antioxidantien mit SH-Gruppe, insb. GSH & GSSG sowie an Proteine gebundene SH-Gruppen (Thiole) [10].
- Nitro-Tyrosin (NTT)
- Ein Marker für Peroxinitrid induzierten oxidativen und nitrosativen Stress [8].
- Aktivität der Kupfer-Zink (Cu-Zn) Superoxid-Dismutase (SOD1)
- Ein sehr wichtiger Mechanismus zur Beseitigung von Superoxid (O2‾), einer der Komponenten, die zur Bildung von Peroxinitrid (ONOO) führt. Ein wichtiger Marker für oxidativen Stress.
- Glutathion (Disulfid) Reduktase (GR/GSR)
- GR/GSR mcht aus oxidiertes Glutathion (GSSG) das reduzierte Glutathion (GSH)
- Glutathion Peroxidase (GPx) in roten Blutzellen und Plasma
- Das GPx Enzym reduziert Hydroperoxide (ROOR) sowie H2O2 zu H2O. Ebenfalls ein wichtiger Marker für oxidativen Stress
Das ganze ist – aus meiner Sicht – eine sehr gute Zusammenstellung von Markern für oxidativen Stress. Ich selber hätte noch PerOx (Lipidperoxide) aufgenommen. Wo man in Deutschland GR/GSR bzw. TBARS messen kann weis ich hingegen leider nicht, den Rest gibt es z.B. bei GanzImmun.
Die Ergebnisse in Bezug auf Blutwerte von Belpomme & Irigaray (Studie 2018)
Belpomme und Kollegen haben in der Studie bei den 32 Patienten dann folgendes in den Blutwerten Festgestellt [6]:- 30‑50% der EHS-Patienten wiesen statistisch signifikant erhöhte TBARs auf, MDA-, GSSG- und NTT-Mittelwerte des Plasmaspiegels im Vergleich zu Normalwerten, die bei gesunden Kontrollen erhalten wurden (P <0,0001).
- Es gab keine guten Werte für die Plasmakonzentration oberhalb der oberen (guten) Normalgrenzen für GSH, GSH / GSSG-Verhältnis, Gesamt-Glutathion (GluT) und GSH / GluT-Verhältnis.
- Die Werte für diese GSH-assoziierten Biomarker waren bei 20–40% der Patienten statistisch signifikant erniedrigt (P <0,0001)
- Darüber hinaus wurde in Erythrozyten eine statistisch signifikant erhöhte mittlere SOD1- und GPx-Aktivität bei ~ 60% bzw. 19% (P <0,0001) der Patienten beobachtet.
- Nur 6% der Patienten hatten eine erhöhte GR-Aktivität in Erythrozyten.
Der Forschungsbericht diskutiert dann mögliche Kausalzusammenhänge und Abläufe, die zu den erhöhten Biomarkern für oxidativen und nitrosativen Stress führen könnten. Mit dabei immer wieder die alten bekannten Radikale wie H2O2, O2‾ (Superoxid), ONOO (Peroxinitrid), OH (Hydroxol) – aber komischer Weise nichts über NOS-Entkopplung, VGCCs und Calcium-Kanäle (nach M. Pall) was mich wundert. Zumindest schreiben die Autoren zu NO und ONOO [6]:
” In fact, contrary to what was believed in the past, that the majority of oxidative stress-associated toxic effects may be attributed to NO, it is known that in vitro NO may inhibit lipid peroxidation and it is now clearly established that due to the almost instantaneous formation of peroxynitrite each time NO and superoxide collide, peroxynitrite is the true toxic tissue damaging agent; peroxynitrite is a powerful oxidant that has been proven to cause pathogenic damage by interacting at a relatively slow rate and diffusion-limiting capacity with intracellular lipids, proteins and dNA”
Meint: Viel NO – was viele toll finden, weil es die Blutgefäße weit stellt, etc. – ist gar nicht gut, wenn zu viel oxidativer Stress im Körper ist. Den dann verbindet es sich das NO mit O2‾ zu ONOO – meist bevor das SOD-Enzym das O2‾ zu H2O2 entschärfen kann (wobei dann auch wieder GSH oder das Katalase (CAT) Enzym benötigt wird um aus dem H2O2 ungefährliches H2O zu machen) [13]. Gerade die Menschen mit EHS scheinen aber ein SOD-Enzym zu haben, was schon auf Hochlast arbeitet. Mehr dann noch bei Pacher et al. [8].
Diskussion der Studien & Ergebnisse von Belpomme et al. (2015-2020)
Belpomme & Co. schreiben das für Sie EMFIS (ElectroMagnetic Fields Intolerance Syndrome) mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (‘Strongly suggest’) mit oxidativen und nitrosativen Stress in Verbindung steht – was die Blutwert-Marker ja auch mit recht hoher Evidenz wiedergeben:
“This has been evidenced by measuring TBARs, MdA, GSSG/GSH and NTT in the plasma, and the inducible enzymes SOD1 in RBcs and GPx in RBcs and plasma. The search for a correlation between these different parameters confirmed the coherence of the present molecular dissection analysis.” [6]
Da ca. 70-80% der Menschen, die nach eigenen Angaben EHS-Problematiken haben, oxidativen Stress in den Blutwerten bzw. Biomarkern aufweisen – sehen die Autoren, das EMFIS – wie auch CFS und MCS als neuartiges pathologisches Krankheitsbild anerkannt werden sollte. Was der kausale Ursprung des oxidativen Stresses in Bezug auf EHS sei, bleibt nach den Autoren, auch in der Studie aus 2020 [24], im Unklaren.
In der aktuellen Studie jedoch, lenken Belpomme & Co den Fokus auch wieder auf Histamin als Biomarker (30-40% der Fälle haben erhöhte Werte), sowie andere Marker des oxidativen Stresses (mit Verweis auf die Studien aus 2010, 2015 und 2018) – bekommen aber irgendwie den ‘Dreh nicht’ raus, was EHS und MCS ‘vereint’.
Hier merke ich an, das diese die Veröffentlichungen von M. Pall und Berichte von Volker v. Baehr mal studieren sollten, speziell die von M. Pall. Pall führ denn auch den erhöhten oxidativen und nitrosativen Stress auf mehr (bzw. zu viel) Calcium in den Zellen zurück. Wodurch passiert das? Z.B. durch EMF-basierte Aktivierung der VGCCs und durch Chemikalien induzierte Aktivierung des NMDA2-Rezeptors. Kommen dann noch andere ‘Baustellen’ dazu: Schwermetall-Belastungen, chronischen Entzündungen (u.a. Zahnherde), psychologische Belastungen – dann wird es aus meiner Sicht ‘Eng’.
Zwar können nach Prof. Belpomme viele der Symptome mit Mikronährstoffen behandelt werden, so das sich auch die Laborparameter normalisieren, jedoch bleibt wohl die Intoleranz gegenüber EMF (lebenslang) bestehen [7]. Warum genau das so ist – also das die einmal erworbene bzw. ‘getriggerte’ Sensitivität nicht mehr komplett verschwindet – das bleibt komplett unklar und auch ich habe dafür keine Theorie. Ggf. ist dieses aber auch gut so – als ein individueller Schutz-Mechanismus. Denn geht es dem betroffenen nicht gut – dann weiß dieser das in seiner Umgebung etwas nicht stimmt und kann handeln!
Anscheinend verbessert jedoch die Behandlung von EHS nach Belpomme den Schutz gegenüber neurodegenerativen Erkrankungen – was für mich folgerichtig ist. Denn werden Mängel bei der Mikronährstoff-Versorgung beseitigt – dann ist das für mich immer gut & hilfreich. Symptome.ch dazu in Übersetzung von Belpomme [7]:
“Aufgrund der laufenden Forschungen ist anzunehmen, dass für die Betroffenen ganz stark die Wahrscheinlichkeit besteht eines erhöhten Risikos für chronisch neurodegenerative Erkrankungen (Anm.: u.a. Verwirrtheit, Aufmerksamkeitsstörungen), also einer degenerativen Erkrankung des zentralen Nervensystems, im Speziellen eines dementen Zustands des Typs Alzheimer schon in jungen Jahren.“
Wobei ich mich frage, was aus all den jungen Smartphone- und WLAN Dauernutzern wird. Viele davon können ja schon nicht mehr ordentlich schlafen… und da mache ich mir doch schon etwas Gedanken, wohin unsere globalen Gesellschaften steuern.
Mein Fazit
Dr. Martin Pall, Dr. Volker von Baehr, Dr. Belpomme haben alle Teile des Puzzles ergründet – jedoch scheint nur Dr. Baehr die Vorarbeiten von Pall in Bezug auf die Ursachen und den pathologischen (biochemischen) Teufelskreislauf wirklich weitergehend verstanden und weiter entwickelt zu haben. Dr. Belpomme & Co. steuern jedoch zusätzliche wichtige diagnostische Marker zur Kategorisierung von an EHS bei. Letzteres ist sehr wichtig um diese Krankheiten bzw. die assoziierten Beschwerden auch klinisch diagnostizieren zu können, damit es endlich einen ICD-10 Code gibt und Betroffene Unterstützung durch (gesetzliche) Krankenkassen erhalten!
Was aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt bzw. Wert bei den Daten von Belpomme war, der auch einfach und günstig zu messen ist, ist das neben dem erhöhten Histamin das Gluthation (GSH) signifikant erniedrigt war:
“Die Werte für diese GSH-assoziierten Biomarker waren bei 20–40% der Patienten statistisch signifikant erniedrigt (P <0,0001)”
Das ist sicher bei vielen Symptom-Krankheiten der Fall – aber für mich bedeutet es ebenfalls, das Menschen mit einem hohen oxidativem ‘Grund-‘ Stress auch potentiell anfälliger für EMF sind (-> u.a. Amalgam-Belastung). Natürlich könnten die Menschen, welche von EHS bzw. MCS betroffen sind, auch ‘Probleme’ mit Ihrer ‘Entgiftungs-Genetik’ in Bezug auf die Glutathion-Systeme oder die SOD haben (Stichwort: SOD, GST, GPX Deletion – Relevant für die Phase II der Entgiftung). Schade, das Belpomme diese Faktoren nicht untersucht hat.
Der Kern in der pathologischen Kette, der alles für mich vereinigt, ist für mich jedoch hohes intrazelluläres Calcium – und das gibt es ‘gratis’ durch übermäßige Aktivierung von VGCCs und dem NMDA2 Rezeptor, u.a ausgelöst durch EMF und Chemikalien. Schade, das auch dieser Aspekt bei Belpomme nicht auftaucht. In Essen gegen EMF Teil 2 hatte ich bereits geschrieben:
“Hohes Cell-Calcium steigert den oxidativen Stress. (Zu viel) oxidativer Stress ist oder resultiert letztendlich in Krankheit. Zudem behindern Entzündungen (oxidativer Stress) die körpereigene Entgiftung, was noch mehr oxidativen Stress zur Folge hat.”
So einfach kann das sein – und deswegen reagieren verschiedene Menschen auch anders auf EMF & Co. Aus dieser Logik ergeben sich die zwei für mich wichtigsten und fundamentalen Supplemente meiner eigenen Interventionen: #1 Magnesium und genug Vitamin B3 für NAD+. Wichtig sind hier jedoch Form und Dosis.
Was bleibt?
EMF und Chemikalien verstärken aus meiner Sicht vorliegende Grundproblematiken, welche sich dann in EHS (oder EMFIS nach Belpomme) und MCS manifestieren können -> Sie bringen das ‘Fass zum überlaufen’. Das ganze kann man auch über den vermehrten oxidativen (OX) Stress betrachten bzw. verstehen, wie nebenstehend abgebildet. Ein Teufelskreislauf!
Vor 200 Jahren hätten (fast) alle diese Menschen sicher keine Probleme gehabt – weil es da keine (künstlichen) EMF’s bzw. inzwischen Millionen von Mensch-gemachten Chemikalien in der Umwelt gab.
So sehe ich immer noch die Theorie von M. Pall in Bezug auf VGCC-Aktivierung durch EMF, der daraus folgenden NOS-Entgleisung, sowie der subsequenten Bildung von Peroxinitrid durch zu viel NO und OO als zentralen pathologischen Mechanismus an. Pacher et. al (2007) haben für mich zudem zweifelsfrei klar gemacht, das OX-Stress und in Folge auch Peroxinitrid eine, wenn nicht sogar die, entscheidende Rolle in der Entstehung fast aller modernen Zivilisationskrankheiten hat [8]. Ich kann nur jedem empfehlen dieses Paper zu lesen – über 100 Seiten – Wahnsinn!
Wer also Probleme mit EHS (aber auch MCS und CFS) hat, der sollte sich mal die entsprechenden Blutwert-Marker von Belpomme anschauen und überlegen was er machen möchte. Pall & Belpomme haben ja einige Vorschläge, wobei alle um genug Vitamin B3 für NAD+ und Vitamin C herumkreisen – wobei Pall ja zumindest 2-3 g Vitamin C angibt. Magnesium (400-800 mg / Tag) versteht sich für mich von selber.
Vitamin B3 (als Niacin, NAM oder ggf. optimal NR) für mehr NAD+ würde ich, neben Vitamin C, jedoch ebenfalls ergänzen – es damit aber auch nicht übertreiben. Doch zu diesen Themen habe ich bereits einiges in Teil 2 der Serie ‘Essen & Supplemente gegen EMF’ geschrieben. Die vorgenannten Supplemente Ginko, Melatonin, Zink und Vitamin D sind natürlich auch alles durchaus relevante und probate Dinge welche ich selber nutze.
Was ‘alle nicht so richtig auf dem Schirm’ zu scheinen haben sind jedoch Thematiken wie die Schilddrüse, das Steroid-Hormonsystem & HPU. Das Zahnherde, chronische Entzündungen und Schwermetall-Belastungen ungut sind hat sich ja langsam rum gesprochen – wobei hier auch viel Unsinn bzw. Fehler bei der bei Entgiftung und der Zahn-Behandlung gemacht werden. Über letzteres habe ich bereits einiges in Detox 1 geschrieben – einen Artikel der sicher nicht nur für Schwermetall-Belastete wichtig ist.
Ausblick
Diesen Artikel habe ich vor ca. 12 Monaten geschrieben und vor 3 Monaten ergänzt. Inzwischen habe ich die Thematik auch selber weiterentwickelt und Aspekte von Dr. T. Levy, Dr. Shade sowie die HPU eingewoben. Ich denke mein ‘Gesamtbild’ ist aktuell einfacher und kompletter als das von Pall und Baehr – und kann vieles, was ‘so allgemein passiert’ passiert, gut erklären. Dazu aber mehr in den nächsten Monaten, da ich gerade 6 (sechs) Bücher von Levy lese – und die sind der Hammer!
Nachtrag
Wer Prof. Belpomme mal sehen mag – hier – gibt es noch ein aktuelles Video aus Ende 2019 [25] in dem er die Thematik in Englisch vorstellt. 67 Abrufe in über 7 Monaten – Autsch. Alternativ haben ich noch ein anderes von Ende September 2019 gefunden [26] – 93 Abrufe…
Links / Quellen
- [1] Die chronische Entzündung, Dr. Volker von Baehr, 12. Umweltmedizinische Jahrestagung 18./19. Oktober 2013, Berlin
- [2] Allergie auf Metalle und Kunststoffe -Pathogenese, systemische Auswirkungen und Diagnostik, Dr. Volker von Baehr, 20. Februar 2013
- [3] Video: Die Bedeutung der systemischen Entzündung für chronischen Schmerz, Dr. med. Volker von Baehr, Institut für Medizinische Diagnostik Berlin
IMD-Berlin.de, 13.6.2018 - [4] Die Bedeutung der systemischen Entzündung für chronischen Schmerz (Folien), Dr. med. Volker von Baehr, Institut für Medizinische Diagnostik Berlin, IMD-Berlin.de, 13.6.2018
- [5] Reliable disease biomarkers characterizing and identifying electrohypersensitivity and multiple chemical sensitivity as two etiopathogenic aspects of a unique pathological disorder., Belpomme D, Campagnac C, Irigaray P., Rev Environ Health. 2015;30(4):251-71. doi: 10.1515/reveh-2015-0027.
- [6] Oxidative stress in electrohypersensitivity self‑reporting patients: Results of a prospective in vivo investigation with comprehensive molecular analysis., Irigaray P, Caccamo D, Belpomme D., Int J Mol Med. 2018 Oct;42(4):1885-1898. doi: 10.3892/ijmm.2018.3774.
- [7] Belpomme: Ursachen, Diagnose und Perspektiven der EHS/MCS, Beitrag von insieme, Symptom.ch, 5. März 2016
- [8] Nitric oxide and peroxynitrite in health and disease., Pacher P1, Beckman JS, Liaudet L., Physiol Rev. 2007 Jan;87(1):315-424.
- [9] Malondialdehyd-modifiziertes LDL (MDA-LDL) bei oxidativem Stress, IMD Berlin
- [10] Total Thiols: Biomedical Importance And Their Alteration In Various Disorders, Mungli Prakash, jhas, ISSN 0972-5997, Volume 8, Issue 2; Apr-Jun 2009
- [11] Heavy metals exposure and electromagnetic hypersensitivity., Costa A, Branca V, Minoia C, Pigatto PD, Guzzi G., Sci Total Environ. 2010 Sep 15;408(20):4919-20; author reply 4921. doi: 10.1016/j.scitotenv.2010.06.045.
- [12] WHO Fact Sheet No. 296., Electromagnetic Fields and Public Health, Electromagnetic Hypersensitivity, WHO (World Health Organization), 2005
- [13] Oxidativer Stress und Antioxidanzien – Wichtige Antioxidanzien und andere Marker für die antioxidative Kapazität, MVZ Laborzentrum Ettlingen GmbH
- [14] EMFs and Chemicals as the Two Main Drivers of the Autism Epidemic: Mechanisms of Action, Dr. Martin Pall, May 30, 2017
- [15] Health, Safety, Security and Privacy Implications of Smart Meters, 5G and WiFi, Dr. Martin Pall, HealthHarmonic.com, Eugene Oregon, 1.11.2018
- [16] Peripheral markers of brain damage and blood-brain barrier dysfunction, Nicola Marchia et al., Restorative Neurology and Neuroscience 21 (2003) 109–121 109, IOS Press
- [17] S100B as a Marker for Brain Damage and Blood–Brain Barrier Disruption Following Exercise, Serene X. T. Koh, Jason K. W. Lee, Sports Medicine, March 2014, Volume 44, Issue 3, pp 369–385
- [18] Hirnschrankenprotein S-100 und Fremdstoff-Empfindlichkeit, Dr. Bodo Kuklinski
- [19] Explaining ‘Unexplained Illnesses’: Disease Paradigm for Chronic Fatigue Syndrome, Multiple Chemical Sensitivity, Fibromyalgia, Post-Traumatic Stress Disorder, and Gulf War Syndrome, Martin L. Pall, CRC Press, 2007
- [20] Toxic effects of metals., Goyer RA, Clarkson TW., In: Klaassen CD, editor. Casarett and Doull’s toxicology: the basic of poisons, 6th ed. New York: McGraw Hill, 2001:822–6.
- [21] Blood lead, cadmium, and mercury concentrations in the Korean population., Minoia C, Ronchi A, Pigatto PD, Guzzi G. , Environ Res 2010;110(5):532.
- [22] Mercury release from dental amalgam restorations after magnetic resonance imaging and following mobile phone use., Mortazavi SM, Daiee E, Yazdi A, Khiabani K, Kavousi A, et al., Pak J Biol Sci 2008;11(8):1142–6.
- [23] Mercury poisoning from dental amalgam through a direct nose-brain transport., Störtebecker P., Lancet 1989;1(8648):1207.
- [24] Electrohypersensitivity as a Newly Identified and Characterized Neurologic Pathological Disorder: How to Diagnose, Treat, and Prevent It, Dominique Belpomme, Philippe Irigaray, Int. J. Mol. Sci. 2020, 21(6), 1915; doi: 10.3390/ijms21061915 (PDF)
- [25] Prof. Dr. med. Dominique Belpomme – EHS und MCS sind Aspekte eines eindeutig pathologischen Befundes, Kompetenzinitiative e.V., 27.12.2019
- [26] Scopro Interviews – Prof. Dr. med. Dominique Belpomme, Scopro – Klinische Umweltmedizin, 30.9.2019
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