Von 3ZU: ZUtaten, ZUbereitung, ZUsatzstoffen und Food-Religionen
Paleo, Pescetarier, Low-Carb, Keto, Vegetarisch, Vegan, Fruktarier, Rohköstler, Carnivore, Ayurveda, Makrobiotisch, Trennköstler, High-Carb und viele Mischformen aus dem ganzen. Irgendwie gibt es aus jedem Bereich irgendwelche wundersamen Geschichten über (Spontan-)Heilung, Verschwinden von Problemen, mehr Energie, etc.
Aktuell macht genannte ‚Nose-to-tail Carnivore‘-Ernährung nach einem Dr. Paul Saladino [13] die Runde (-> zumindest in vielen US-Blogs). Was ich davon halte, behandle ich ich auch in diesem Artikel. In Kürze: Gar nichts.
Folgende Dinge mag ich heute thematisieren:
- Wer hat nun Recht? Alle? Keiner? Irgendeiner?
- Die ‚3ZU‘: ZUtaten, ZUbereitung und ZUsatzstoffe
- Die ‚3ZU‘ und die verschiedenen Ernährungskonzepte und Food-Religionen
- Von ‚negativen‘ Mustern…
- Vom ’sich selber ins Knie schießen‘…
- Von ‚positiven‘ Mustern…
- Vom Mikrobiom (Darmbakterien) & Co…
- Von Bacteroides und Prevotella
- Unsere (vermeintliche) Entwicklungsgeschichte – Fleisch & Kohlenhydrate
- Gedanken: Was (nicht nur) ich beobachte…
- Was viele übersehen…
Am Ende des Artikels folgt dann mein übliches Fazit.
Inhaltsverzeichnis für den Schnellzugriff
Wer hat nun Recht? Alle? Keiner? Irgendeiner?
Dieser Beitrag wurde angeregt durch ein Interview beim Legalize Freedom Podcast mit Phil Escott zum Thema, warum man Fleisch essen sollte. Escott hat seinen Aussagen nach alles mögliche durch: Vegetarisch, Vegan, Vollwertig, Frugivore, etc. Erst nach dem kompletten Umstieg auf eine sehr fett, fleisch- & tierprodukt basierenden Ernährung (inkl. Ei, etwas Butter und Ziegen-Käse), jedoch fast ohne Ballaststoffe, Stärke und Kohlenhydrate (Reis, Kartoffeln, Getreide, stärkehaltige Gemüse und die meisten Früchte), wurde er (seinen Aussagen nach) gesund und konnte seine Arthrose besiegen. Ich fand es spannend, weil das so irgendwie der komplette Anti-Entwurf zu dem ist, was ich derzeit mache und was allgemein empfohlen wird. Ob Escott damit über die nächsten Jahre oder Jahrzehnte glücklich wird? Tja, das ist noch eine andere Frage… und ich denke eher nicht, weil seine Probleme (wie oft üblich) ganz wo anders liegen dürften. Mehr dazu weiter unten im Text.
Auf jeden Fall hat es mich nachdenklich gemacht, warum (anfänglich) so krass unterschiedliche Konzepte (und Food-Religionen) auf dem Makro-Level (also der Anteil an KH, Protein, Fett) sowie bei den Gruppen der Nahrungsmittel (Fleisch- & Tierprodukte, Stärke aus Pflanzen & Getreide) alle zusammen (und zumindest anfänglich) scheinbare Erfolge zeigen.
Mein „Tipp“ ist hier oft ein „zerhächselter“ Magen & Darm, wo dann Nahrungsbestandteile in das Blut übergehen. Das hat dann, je nach dem und der Dauer, Auswirkungen auf das Immunsystem (-> „Leaky Gut“ bzw. Mangel-Mikrobiom). Natürlich kann es auch oder zusätzlich an der Magensäure mangeln. „Extreme“, einseitige sparten und/oder „Mangelernährungen“ reduzieren dann die immunologischen Reaktionen bzw. „akut“ negative Interaktionen mit dem „geschrotteten“ Mikrobiom. In der Tat ist die individuelle Abhilfe keine Sache, die sich mal „eben“ diagnostizieren und festlegen lässt.
Die ‚3ZU‘: ZUtaten, ZUbereitung und ZUsatzstoffe
Ich denke schon länger, dass es bei den ganzen diversen Erfolgsgeschichten der teils ‚krass‘ unterschiedlichen ‚Food-Religionen‘, Ernährungsweisen & Konzepten ein spezifisches Muster gibt – was zum Teil erklären kann, warum so viele verschiedene Ansätze, zumindest anfangs, gut zu funktionieren scheinen – oder auch nicht, also genau dann wenn bestimmte Dinge eben nicht beachtet werden. Ich bezeichne das Ganze die ‚3ZU‘.
Worum geht es mir?
- ZUtaten:
- Das was an Zutaten und Lebensmittelgruppen gegessen wird – bzw. insbesondere jedoch das was weg gelassen wird.
- Wichtig ist mir auch die Qualität und daß die Zutaten wenig verarbeitet sind – bevor ich sie esse.
- ZUbereitung
- Hier geht es darum wie die Zubereitung passiert – insb. das Thema (möglichst geringe) Temperatur!
- Weiterhin ist für mich Frische auch ein wichtiger Faktor. Aufwärmküche (u.a. ‚Cook & Chill‘) ist für mich nur eine Notlösung.
- ZUsatzstoffe
- Bei Zusatzstoffen kenne ich nur eine Variante: Keine – außer die natürlichen wie Gewürze, Salz, etc. pp
- Wer frisch kocht, natürlich lagert, saisonal isst – der braucht keine Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker & Co.
Genau hier hat sich in den letzten 50-100 Jahren sehr, sehr viel geändert. Meiner Ansicht nach wird mehr von dem gegessen, was nicht gut für uns (Menschen) ist & weniger von den positiv wirkenden Sachen. Die Zubereitung hat sich auch sehr stark geändert: Damit es billig ist, muss es gut lagerfähig sein (Konservierung), billige Zutaten werden aufgepeppt (Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker & Co.) und alles muss schnell gehen (Vorkochen, Dose, Gär- und Backbeschleuniger, etc.). Alles was schnell verdirbt ist aus der Sicht der Food-Industrie kritisch (u.a. frische Gemüse, Salate) – TK & Frittiertes gewinnt, weil das Hygiene-Problem einfach weggebrutzelt wird.
Die ‚3ZU‘ und die verschiedenen Ernährungskonzepte und Food-Religionen
Folgend habe ich grob einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede für verschiedenste Ernährungskonzepte (und Religionen) herausgearbeitet. Weiterhin habe ich relevantes in Bezug auf die 3ZU sortiert und farbig gekennzeichnet – also zumindest so, wie ich die gesundheitlichen Auswirkungen einschätze.
- ZUtaten:
- Hier zählt insbesondere, was weg gelassen wird:
- Paleo, Vegan, meist auch High-Carb und Rohkost: Keine Milchprodukte.
- Paleo, Vegan, Pescetarier, Rohkost, High-Carb: Kein verarbeitetes Industrie-Mast-Antibiotika-Stall-Fleisch.
- Rohkost, High-Carb : Keine bzw. wenig hoch erhitze Fette.
- Low-Carb, Paleo, Keto, vollwertige ‚Veganer‘, etc.: Keine raffinierten Kohlenhydrate (Zucker, HFCS, Säfte, Auszugsmehle, Pasta, Pizza, etc.).
- Paleo, Low-Carb, Keto, Rohkost: keine bzw. wenig (hochgezüchtete) Getreide (insb. Weizen -> Gluten/Lektine).
- Und worauf der Fokus gelegt wird:
- High-Carb, Low-Carb, Paleo, Keto, Rohkost, Vegan, Vegetarisch: Viel Gemüse!
- Rohkost, Vollwertler: Alles muss frisch oder gekeimt sein -> lebendiges Essen.
- Paleo: Nur (unverarbeitetes Wild-) Fleisch höchster Qualität & möglichst kein Schwein.
- Pescetarier, Paleo, Carnivore, teils auch Low-Carb: Nur (bester) Fisch (optimales Fettsäureprofil).
- High-Carb, Vegan, Vegetarisch, vorwiegend Pflanzlich: Stärke in Form von Kartoffeln, Hirse & Reis als Energielieferant.
- Qualität der Zutaten
- Frische, Bio, Lokal, Regional, Seasonal, artgerechte Haltung, etc. pp.
- Wenig verarbeitetes, also so natürlich, frisch und vollwertig wie es geht.
- Keine oder wenig Konserven & auch nicht zu viel TK-Ware.
- Keine raffinierten Produkte (Öle, Zucker, Mehle, etc. pp).
- Keine hoch verarbeiteten Produkte (Tütenzeug, Instant, Kauf-Kekse, Riegel, etc. pp).
- Hier zählt insbesondere, was weg gelassen wird:
- ZUbereitung
- Viel selber frisch zubereitet – ein durchaus beträchtlicher Rohkostanteil (~ 50%).
- Bedachter Einsatz von Temperaturen beim Kochen (<=120 Grad).
- Möglichst nicht frittieren, braten, backen, grillen.
- Wenn, dann immer so, daß keine Röstprodukte entstehen (Kruste, dunkle Verfärbung, etc.),
- sondern dünsten, dämpfen, garen (u.a. Backofen, Römertopf).
- Niemals (doppelt) ungesättigte Fettsäuren hohen Temperaturen aussetzten!
- Dadurch entstehen u.a. Transfette & Co.
- Also u.a. Hanf- und Leinsamen, Sonnenblumen- & Kürbiskerne (bzw. deren Öle) nie erhitzen.
- Potentielle Antinährstoffe & Lektine (u.a. Gluten) durch richtige Zubereitung deutlich reduzieren.
- z.B. Kochen mit Dampfdruck und Keimen.
- ZUsatzstoffe
- Optimaler weise keine Zusatzstoffe bzw. nur die, die man aussprechen kann und versteht.
- Salz, Gewürze (ala Pfeffer, Kurkuma, Vanille, etc. pp), Essig, Natur-Sauerteig, etc. sind o.k.
- Bei Backwaren (wenn es denn sein muss) kein Backtriebmittel sondern z.B. Natron oder Weinstein.
- Ggf. vorsichtig bei ‚Hefe‘ insb. kein ‚Hefe-Extrakt‘ (Geschmacksverstärker).
- Niemals künstliche Süßstoffe, Emulgatoren, Farbstoffe, Säuregerulatoren, etc.
- Keine Phosphate! (Calcium-Räuber)
- Keinen Schwefel (z.B. Trockenfrüchte) und andere Konservierungsstoffe
- Was Bakterien tötet bzw. reduziert, tut dieses auch in unserem Darm mit den guten Bakterien.
- Optimaler weise keine Zusatzstoffe bzw. nur die, die man aussprechen kann und versteht.
Das Ganze ist nur ein grober Überblick. Bei einigen Dinge wie Brot sehe ich das nicht ganz so kritisch – wenn es ohne Weizen & 1a traditionell, z.B. mit Sauerteig zubereitet wurde. Eine alternative wäre noch Pumpernickel, der mit weniger Temperatur, jedoch länger gebacken wird. Gerade die (dunkle) Kruste (-> Acrylamid) oder Brot mit fetthaltigen Samen oder Saaten aus meiner Sicht nicht vorteilhaft – wegen der Oxidationsproblematik von (doppelt) ungesättigten Fettsäuren. Ein schlechter Scherz ist dann das so-genante ‚Keto‘ (oder Low-Carb) Brot mit ganz viel Omega-3 haltigen Samen, Saaten, teils gerösteten Nüssen (da diese doppelt ungesättigte Fettsäuren enthalten die nicht hitze-stabil sind), Rapsöl, Sojamehl und zugesetztem Weizengluten oder zu Neu-Deutsch: ‚Seitan‘. Der Unsinn kennt keine Grenzen.
Von ’negativen‘ Mustern…
Ich denke, das einige Leser bei der Liste der 3ZU ein Muster erkennen werden – also insbesondere was in den verschiedenen Ernährungsvarianten vermieden wird. Und gerade das, was nicht mehr konsumiert bzw. gegessen wird – hat aus meiner Sicht eine sehr große Bedeutung:
- (Verarbeitete) Milchprodukte
- (Verarbeitetes) Fleisch aus der Industrie-Antibiotika-Mast und alles (hoch) verarbeitete Fleisch (Wurst, Schinken & Co.) generell (auch Bio).
- Raffinierte Kohlenhydrate – wobei ich die noch für am unkritischsten halte!
- (Einige) Getreide, insb. mit Fokus auf Weizen (Gluten, WGA -> Lektine).
- (Hoch) erhitzte Fette, insb. wenn dies mit (doppelt) Ungesättigten passiert.
- Zusatzstoffe, hoch Verarbeitetes generell, …
Ich denke, daß jeder dieser Punkte eine potentielle Last für die meisten Menschen darstellt – ob sie es (bewusst) merken oder nicht. Zudem gehe ich davon aus, daß diese Sachen mehr oder weniger unseren Organismus (und Darm) stressen – und wenn ein bestimmter Pegel erreicht oder überschritten ist (also das Fass überläuft), dann werden wir deutlich anfälliger gegenüber Infekten, es kommt zu Krankheiten und der Heilungsprozess wird deutlich verlangsamt. Dazu kommen jedoch noch:
- Hoch erhitzte Stärken (Mehle, Kartoffeln, etc.) da hier Acrylamid & Co. gebildet werden (>120 Grad).
- Hoch erhitzte Fleisch und Tierprodukte (AGEs, etc.).
- Raffinierte und länger gelagerte (gepresste) Öle mit vielen ungesättigten Fettsäuren.
Also alles, was mit hohen Temperaturen und hoher Verarbeitung zu tun hat. Öle gibt es zwar schon sehr lange – jedoch wurden diese viel weniger verwendet und waren frischer – da die Ölmühle im Dorf war und hier dann nach Bedarf und frisch gepresst wurde. Hier hat sich unscheinbar die Zubereitung deutlichst geändert. So haben auch gerade Brötchen & Kekse ein Acrylamid-Problem: Wenig Teig, jedoch viel Oberfläche. Bei einem großen (traditionellen) Brotlaib (2 Kg) ist das in Relation kaum ein Problem. Das gleiche gilt auch für einen Braten im Römertopf oder Backofen der lange und bei niedriger Temperatur gart.
Wer alleine nur 100-200 Jahre zurück schaut, der wird ggf. feststellen, daß damals die aufgeführten Dinge nicht, oder nur in geringen Mengen verzehrt bzw. anders produziert oder zubereitet wurden. Vor 1000, 10.000, 100.000 oder 1 Million Jahren gab es dann das meiste aus der Liste gar nicht auf der Speisekarte – insb. Zusatzstoffe, raffinierte Kohlenhydrate, Milchprodukte, Getreide & (raffinierte) Fette im heutigen Maßstab. Also soweit wir es annehmen 😉
Selbst das Fleisch war (wenn verfügbar) eher Wildfleisch (insb. Kleintiere) mit wenig Fett (ca. 10% KfA ~ 25-30% der Kalorien). Wichtig waren jedoch in den letzen 1 Million Jahren die Kohlenhydrate (Stärke) aus gekochten Wurzeln & Co. [1] – welche sicher mit Samen & Saaten und (je nach Klimazone) im Sommer auch Früchten ergänzt wurden.
Nach so viel negativem – was ist denn positiv? Ganz einfach:
- (Mehr) Gemüse – da sind sich irgendwie alle Ernährungskonzepte und Religionen einig – und auch die Wissenschaft.
Vom ’sich selber ins Knie schießen‘…
Natürlich gibt es auch Menschen, die sich selber wieder ins Knie schießen – uns das ist auf keine bestimmte Ernährungsform beschränkt. Für mich ist es insbesondere da der Fall, wo der ‚Glauben‘ ins Spiel kommt oder das Konzept, was man angeblich verfolgt nicht richtig verstanden wird – oder zu ernst nimmt. Beispiele dafür sind (für mich):
- Der ‚Pudding-Veganer‘: Auch Chemie-Pudding, Weingummi, Cola, Chips, Pommes, Weizen-Pasta, Soja-Ersatzwürstchen und Käse-Imitat sind nicht gesund. Bei Vegan geht es voranging um den Tier- und nicht um den Menschenschutz. Der ganze Vegan-‚Hype‘ hat erst einmal nichts mit gesund zu tun – das sollte immer im Hinterkopf bleiben. Und: Ein sich rein pflanzlich ernährendes Naturvolk gab es dann wohl auch nie… selbst die Affen essen kleine Insekten.
- Der ‚Paleo-Romantiker‘: Hier wurde eine bestimmte Vorstellung unserer (nordeuropäischen) Vorfahren vor ca. 20.000 Jahren hergenommen und darauf eine Ernährung aufgebaut. Das vernachlässigt jedoch mindesten drei Dinge: a) ist die Annahme über die Vergangenheit richtig? [1] b) wie genetisch relevant sind die Änderungen in letzten 20.000 Jahren? und c) War das damals die bestmöglich Ernährung – oder nur das, was eben gerade so da war? Denn richtig alt wurden die Menschen da ja nicht unbedingt….
- Der ‚Langzeit-Keto-Freak‘: Ketose ist ein Not- und Hungerstoffwechsel, der bei zu wenig Zufuhr an Kohlenhydraten eintritt [3]. Das ganze passiert auch beim Fasten und aktiviert den Fettstoffwechsel. Alles o.k. soweit. Nur bezweifele (nicht nur) ich, daß das längerfristig gut ist, denn Kohlenhydrate haben schon eine krasse Berechtigung für Gehirn, Schwangerschaft, Sprints- und Spitzenleistungen (Glykogenspeicher) – und das seit über 1.000.000 Jahren [1][4]. Gut gegen Krebs – nicht unbedingt, auch Fette füttern wohl Tumore und Melanome [5][6][7]. Und ganz wichtig: Du bist wahrscheinlich kein Eskimo (Inuit) – also hast deren spezielle genetische Ausstattung!
- Der ‚Zucker & Fruktose High-Carber‘: High-Carb (also Low-Fat ->HCLF) kann schon grob in die Hose gehen, wenn das nicht mit genug vollwertigen Kohlenhydraten passiert. Viel Fruktose haltiges Obst, Trockenfrüchte, raffiniertem Zucker, Weizen-Pizza & Pasta, immer weißem Reis, etc. pp. sind nicht gut und die Fruchtsäuren nagen an den Zähnen. Also besser keine Bananen-Dattel-Smoothies mit Kokos-Zucker zum Frühstück! Und: Zu wenig Fett hat wohl auch negative Auswirkungen auf die Hormonsynthese…
- Der ‚100% Rohkost-Revoluzzer‘: 100% Rohkost ist ja nach dem Protagonisten das Ding überhaupt. Komisch nur, das wohl gerade das Kochen die Entwicklung unseres Gehirns erst ermöglicht hat [1]. Zudem werden Nährstoffe durch das Erwärmen (u.a. Aufbrechen der Zellstrukturen) besser im Darm verfügbar, Kohlenhydrate in Wurzelgemüse für uns nutzbar und Schutzstoffe abgebaut. Auch B. Davis weist im Buch ‚Becoming Raw‘ darauf hin, das 100% Rohkost eher keine gute Idee ist – und wenn, dann eher Zeitbegrenzt und mit sehr, sehr viel Hintergrundwissen!
- Der ‚Leaky-Gut & Mikrobiom-Kaputt Carnivore‘: Ist der Magen- und Darm wirklich kaputt (u.a. Nebenwirkung von Antibiotika & Medikamente), durchlässig!. dann helfen vorübergehend sicher weniger Pflanzen- & Ballaststoffe. Warum? Meiner Ansicht nach, das Immunsystem wegen Leaky-Gut auf Nahrungsbestandteile (-> Anitnährstoffe, Lektine) reagiert und ggf. weil der Darm bzw. die Darm-Mikroben (aktuell) nicht (gut) mit den Ballaststoffen umgehen können. Ich denke, daß das Ziel sein sollte Magen- und Darm wieder aufzubauen und nicht zu hoffen, daß eine überwiegend fleischdominierte Ernährung (ala Escott) auch auf die Dauer von Jahren bzw. Jahrzehnten Vorteile verspricht.
- Der ‚Kohlenhydrate sind (an allem) schuld Low-Carber‘: Low-Carb ist faktisch eine Atkins-Diät – allgemein angenommen, ein Rezept für einen hohen Cholesterinspiegel, mittelfristig Problemen mit den Arterien & Co. – und ‚optimalerweise‘ (für den maximal schädlichen Effekt) mit Milchprodukten kombiniert. Klar sehen die Menschen, die das machen es nicht so -> die Zucker und raffinierten Kohlenhydrate sind schuld daran das Inuit Mumien und Ötzi (vor 5000 Jahren) mit 35 schon heftige Plaques hatten (Tip: Die raffinierten KH gabs damals noch nicht). Ich hoffe also, daß sie dann wenigstens keinen Alkohol trinken: Die ’schnellste‘ und schlimmste Form der Kohlenhydrate. Und bloß kein Bier.. weil aus Weizen! und so….
- Der ‚Supplementarier‘: Schmeißt für vieles Supplemente ein – in der Hoffnung, daß diese Isolate identisch wirken wie eine abwechslungsreiche und vollwertige Ernährung mit viel (grünem) Gemüse, etwas DHA aus Fisch und je nach Vorliebe ggf. auch mal ein Ei oder Leber & Co. (oder mehr Fisch) – je nachdem welches Konzept man für sich aktuell verfolgt.
Wer jetzt nicht mehr weiter lesen mag – weil er sich ggf. einer dieser Gruppe zugehörig fühlt – schade. Ich war zwar nie ein Pudding-Veganer, jedoch habe ich auch einiges ausprobiert, u.a. 3 Jahre rein Pflanzlich (einige nennen das auch ‚Vegan‘) und ca. 6 Monate HCLF mit mehr Obst und Blattgemüse. Heute bin ich meines Empfindens nach irgendwo zwischen dem, was meine Umwelt als ‚Vegan‘ (jedoch ohne Ideologie & Vollwertig) und ‚Paleo‘ (jedoch ohne Romantik) bezeichnet, gelandet. Einige nennen es auch ‚Pegan‘, wobei all diese Schablonen es nie treffen. Ich bin zwar „versucht“ versuchsweise den Fettanteil testweise mal wieder deutlich nach oben zu schrauben – jedoch ist dies mit vollwertigen Fetten (Samen, Saaten, Fisch und / oder Fleisch von Wild) faktisch nicht (natürlich) möglich. Kokosöl ist nicht regional / lokal und bei Butter spiele ich mal die Vegan- oder Paleo-Karte 😉 Zudem steht mehr Fett auch der Randle-Zyklus entgegen, weswegen ich nicht mehr als 25% meiner Kalorien als Fett zuführe.
Was ich in all den Jahren beibehalten habe sind jedoch zwei Dinge: Fast keine voll raffinierten Zucker (bzw. KH) in meinem Haushalt (auch kein Agavendicksaft, Stevia, Xylitol, etc.) und keine Milchprodukte mehr. Klar esse ich mal ein Stück 85%ige Schokolade – wo dann auch Zucker enthalten ist. Das sind für mich Ausnahmen in kleinen Mengen & letztendlich egal, wenn der Rest stimmt. Zucker ist nicht das Problem, wenn es einen kleinen Teil der Nahrung ausmacht und dann auch SELBER zu Kuchen, Keksen & Co. verarbeitet wird – ohne Zusatzstoffe und Pflanzenfette mit Ausnahme von Kokosöl. Eben mal wieder: 3ZU!
Von ‚positiven‘ Mustern…
Ich denke, daß der größte Erfolg sich bei den vielen Konzepten deswegen zeigt, weil bei fast jedem Stressoren für den Magen- und Darmtrakt weg fallen. Bei einigen, welche sich z.B. komplett die Darmkultur (Mikrobiom) zerschossen haben (Antibiotika, Medikamente, viel Stress, Mangelernährungen, etc.), mag das (kurzfristig) eine eher fettlastige ‚Low-Carb‘ und / oder eine fleischlastige verstandene ‚Paleo‘ Ernährung sein. Dies könnte deswegen gut funktionieren, weil bei diesen Menschen ggf. keine Darmbakterien & Co. mehr mit den Ballaststoffen und ggf. pflanzlichen Antinährstoffen im Darm umgehen können. Der Darm muss erst einmal wieder aufgebaut werden – wobei dies auch eine gute Funktion der Leber bedingt (-> Entgiftung). Das Thema ist jedoch nicht Fokus dieses Artikels.
Bei anderen hilft oft der Verzicht auf Milch(produkte) und / oder Getreiden (insb. Weizen). Die Reduktion und dann der Verzicht auf Milch(produkte) hat z.B. mir sehr stark geholfen. Auch der Wegfall von Zusatzstoffen kann entscheidend sein – z.B. bei der Rohkost – wo das implizit der Fall ist. Vielen hilft jedoch schon, mehr Gemüse zu essen – etwas, worauf auch Paleo wert legt, inkl. dem Fokus auf unverarbeitetes Fleisch hervorragender Qualität sowie Innereien (u.a. Leber) anstatt dem eher mikronährstofflosem Muskelfleisch. Alleine das bewusstere Auswählen, Einkaufen, frisch zubereiten, selber kochen, etc. kann schon gewaltige Verbesserungen erzeugen – ganz ohne große Änderungen der Makro-Gewohnheiten. So sehe ich auch folgende wichtige positive Faktoren:
- (Mehr) Gemüse,
- weniger (oder keine) Zusatzstoffe,
- bessere Qualität der Zutaten (u.a. Frische, Bio, Lokal/Regional, artgerechte Haltung) und eine
- Zubereitung mit Bedacht & weniger Temperatur (kurz dämpfen, dünsten, garen) – insb. in Bezug auf Fette & Öle!
Einfach & kompatibel mit eigentlich jeder Ernährungsform – oder?
Vom Mikrobiom (Darmbakterien) & Co…
Wie weiter oben schon angeführt denke ich inzwischen, daß bei den meisten Menschen die richtig starke Probleme haben, irgendetwas mit dem Mikrobiom (des Darms) nicht mehr in Ordnung ist – wobei das ’nicht mehr‘ wohl noch untertrieben ist. ‚Low-Carb‘ Ärzte wie Dr. S. Gundry (Buch: ‚Plant Paradox‘), Dr. Kruse (‚Der Mitochondriac‘), etc. berichten hier von Erfolgen mit einer eher „fetthaltigen“ Ernährung. Aus deren Büchern, zahlreichen Vorträgen und Videos nehme ich jedoch für mich war, daß die ‚Problem‘-Patienten wohl vermehrt Probleme mit dem Darm haben – u.a. durch Antibiotika, komplett falsche (Fast-Food) Ernährung, Stress und anderen Umweltfaktoren oder erworbener Krankheiten. So haben genau diese Patienten dann auch teils Vergiftungen, was wieder Probleme mit Endotoxinen (->Darm) macht, Nährstoffmängel (u.a. durch die fehlende Aufnahme im Darm, ggf. fehlende Magensäure) sowie andere Defizite (u.a. Vitamin D, UV-A/B, Hormonsystem, etc.) – was meine Eindrücke unterstützt. „Mehr Fett“ vermeidet hier also nur (kurzfristig) Problem, schafft aber langfristig, z.B. über deutlich mehr Omega-6 Linolsäure, neue. All das beseitigt jedoch nicht die Ursache.
Da der Darm bei diesen Problempatienten oft nur noch schlecht mit den Ballaststoffen umgehen kann (-> wichtig für die Darmbakterien) werden diese nun vermieden bzw. grundsätzlich verteufelt. Beim ‚Verteufeln‘ werden dann raffinierte und einfache KH (Glukose, isolierte Fruktose, etc.) mit den komplexen KH (Stärke, Kartoffeln, Kürbis, Haferflocken-Porridge, etc.) in einen Korb ‚geschmissen‘. Bei denen, die dann z.B. kurz- bzw. Mittelfristig mit ‚Carnivore‘ gut fahren liegt teils eine Problematik mit dem Abbau bzw. der Anreicherung von Oxalsäure vor – diese Menschen (ggf. auch Phil Escott) haben (meiner Ansicht nach) u.a. ein zerschossenes Mikrobiom und können dann z.B. nicht mehr mit Oxalaten oder anderen Stoffen aus und in Pflanzen umgehen (-> u.a. fehlendes Oxalobacter Bakterium im Darm). Der Verzicht auf alles Pflanzliche ist für diese Menschen dann kurz- mittelfristig ein Vorteil – wobei das langfristig wieder anders aussieht…
Als scheinbarer ‚Beweis‘ (oder Analogie), daß viel Tierisches und Fette gut für uns sind, werden dann die Inuit herangezogen – die jedoch eine komplett andere genetische Ausstattung als Nordeuropäer haben (‚the Inuit have genetic and physiological adaptations to a diet rich in PUFAs.‘ [2]) und trotzdem nicht allzu alt werden. Die (langlebigen) Bewohner der Blue-Zones essen hingegen viel KH (u.a. Wurzelgemüse), Hülsenfrüchte, wenig Fett und meist nur sehr wenig Fleisch (ca. 15 g am Tag in Okinawa). Ich halte mich da eher an das, was für Millionen ausweislich funktioniert (hat).
Von Bacteroides und Prevotella
In diesem Kontext ist es ggf. wichtig zu wissen, das es zwei stark verschiedene Darmbesiedlungen (Enterotypen) in Bezug auf Bakterien (Bacteroides und Prevotella [11]) gibt – je nachdem ob man eher fleisch- und tierproduktlastige (Bacteroides) bzw. eher pflanzlich dominierte Nahrung (Prevotella) zu sich nimmt [8][10]. Der Enterotyp ist dabei wirklich von der Ernährung und vom nicht Geschlecht, Genom, Alter, etc. abhängig – und lasst sich durch eine Umstellung der Ernährung ändern [9]. Die Forschung steht noch am Anfang – jedoch tritt z.B. Darmkrebs fast nur bei Menschen auf, welche Bacteroides Bakterien tragen.Wer noch nie bzw. kaum Hülsenfrüchte gegessen hat, wird auch das Ganze aus anderer Perspektive kennen: Pups, Pups, Pups…. speziell wenn die Legumen Unterkocht sind oder roh waren. Werden diese Dinge jedoch länger gegessen, werden sie richtig gekaut (Amylase!) – und es wird mit kleinen Mengen angefangen, dann gibt sich das mit der Zeit -> das Mikrobiom passt sich (langsam) an. Das gleiche gilt dann auch für Salate und anderes Grünzeug. Wie bei Fleisch ist also auch die Zubereitung der Pflanzenkost ein wichtiger Faktor (u.a. Kochen, Keimen), um negative Effekte auszuschließen bzw. zu reduzieren.
Und ganz wichtig: In Fleisch, Ei, Milch, Käse & Co. sind keine Ballaststoffe enthalten. Gemüse, aber auch Kartoffeln, Reis, die stärkehaltiges Wurzelgemüse, Hülsenfrüchte & Co. bringen diese jedoch mit. Letzteres ist wichtig, damit unsere Darmbakterien wohl genährt sind und dann daraus sogar hochwertige Fette bauen (Tip: Buch ‘Darmbakterien – Schlüssel zur Gesundheit’ sowie ein Podcast mit Frau Zschocke bei SR2). Zudem bestätigen auch Meta-Analysen vieler Studien, daß Ballaststoffe aus Lebensmitteln Herz- und Gefäßkrankheiten reduzieren bzw. negativ mit deren Auftreten assoziiert sind (-> gut!) [12].
Unsere (vermeintliche) Entwicklungsgeschichte – Fleisch & Kohlenhydrate
Spannend fand ich hier eine recht aktuelle Studie (2015) zu unserer Entwicklungsgeschichte seit dem Pleistozän (letzte 1-2,5 Millionen Jahre) [1]. Die Forscher der Studie kommen zum Schluss, das erwärmte Kohlenhydrate (Stärken) – also letztendlich das Kochen – und nicht unbedingt Fleisch essentiell für unsere Evolution waren:
„We propose that plant foods containing high quantities of starch were essential for the evolution of the human phenotype during the Pleistocene“
Das Kochen ermöglicht, die kristalline Stärke in den Wurzel(gemüsen) zu verwertbaren Kohlenhydraten umzuwandeln – was die Affen nicht konnten. Auch wurde die Verdauung insgesamt effektiver (mehr Überschuss-Kalorien) und durch das aufbrechen der Zellstrukturen (Wände) in den Pflanzen (Anm.: Wasser, das sich erwärmt, dehnt sich aus) konnte unserer Verdauung besser an die Mikronährstoffe heran – ohne den ganzen Tag herumzukauen. Dadurch wurde also auch viel Zeit für andere Aktivitäten frei! Hier ist es auch, wo die Rohköstler meiner Ansicht nach vollkommen falsch ‚abbiegen‘. Die Forscher folgen dann weiter, das KH in den letzten 1 Million Jahren bei der kalorischen Versorgung wichtiger waren als Fleisch. Die Forscher dazu:
„Although previous studies have highlighted a stone tool-mediated shift from primarily plant-based to primarily meat-based diets as critical in the development of the brain and other human traits, we argue that digestible carbohydrates were also necessary to accommodate the increased metabolic demands of a growing brain. Furthermore, we acknowledge the adaptive role cooking played in improving the digestibility and palatability of key carbohydrates. We provide evidence that cooked starch, a source of preformed glucose, greatly increased energy availability to human tissues with high glucose demands, such as the brain, red blood cells, and the developing fetus.“
Die ‚Paleo‘– und Low-Carb ‚Geschichte‘ über die Menschheits-Geschichte ist also nicht so einfach, wie von vielen bisher angenommen. Auch ich habe vor 40 Jahren die ‚Was ist Was‘ Bücher verschlungen – jedoch ist seit dem viel Zeit vergangen und unser Wissen ist gewachsen, hat sich verändert und ist differenzierter. So mögen auch viele, hoffentlich Low-carber wissen, das Kohlenhydrate für unser Gehirn essentiell sind. Über die Ketose kann nur ca. 70% des Energiebedarfs des Gehirns gedeckt werden – genug KH sind auch hier essentiell, wie auch in der Schwangerschaft!
Gedanken: Was (nicht nur) ich beobachte…
… ist, daß es immer mehr selbst ernannte Gesundheitscoaches, Buchautoren, Podcaster & Co. gibt, welche sich subjektiv wahrgenommen eher faktenfrei zu Low-Carb, Keto & Co. (und anderen eher einseitigen Entwürfen) bekennen und für die alle Kohlenhydrate ‚Zucker‘ sind. Das Muster, das ich wahrnehme: Die meisten dieser Menschen haben keinen Hintergrund in Biochemie & Co. und sind Quereinsteiger. Das bin ich auch – nur argumentiere ich auf Basis von Studien und Langzeiterfahrungen von großen Völkern bzw. Bevölkerungsgruppen (u.a. Bluezones & Co.). Die Blogger & Co. welche ich meine, machen Low-Carb & Co. (Übersetzt: Eine Atkins-‚Diät‘) erst seit vielen Monaten oder ein paar Jahren im Selbstversuch und wissen noch nichts über die (negativen) Langzeitauswirkungen. Oft sind es Menschen, die aus dem Bereich Marketing, Beratung, etc. kommen – wie z.B. David Asprey mit seinem „Bulletproof Coffee“. Da geht es dann für mich ganz klar um die Vermarktung von Produkten mittels schöner Geschichten. Das Problem: Wenn Erfolgsautoren merken, dass ihr Konzept nicht so richtig Funktioniert – gibt es oft kein Zurück mehr, weil die wirtschaftliche Existenz damit verbunden ist.
Denn das, was viele bei Low-Carb und Co.-Autoren nicht definieren ist folgendes:
- a) Ab wie wenig KH in der Ernährung ist es eigentlich ‚Low-Carb‘?
- Also angesichts dessen, daß der normale Deutsche schon fast 40% der Kalorien aus Fett und bis zu 15% aus Protein bezieht.
- b) Werden die Carbs durch mehr (tierisches) Protein ersetzt – oder durch Fett?
- c) Wenn viele Fette genutzt werden, welche Art von Fetten wird genutzt und wie werden die verarbeitet?
- Denn Low-Carb Brot ist sicher keine gute Idee…
Ähnliches gilt meiner Ansicht nach natürlich auch für Rohköstler, Frugivore, Pudding-Veganer & Co. Gerade bei ‚Vegan‘ gibt es (meines Empfindens nach) ähnlich viel Hype, Jubel-Blogs und Produkt-Schrott (-> Ersatz-Wurst, Fake-Fleisch, Imitat-Käse & Co.) wie auch bei Low-Carb. Da wird Tierproduktverzicht zur Religion und die Ersatzprodukte, die konsumiert werden, sind dann alles andere als Natürlich oder Gesund. Ähnlich auch bei High-Carbern, welche ggf. viele Süd- und Trockenfrüchte sowie viele raffinierte KH verzehren – meiner Ansicht nach zu viel Fruktose und KH, die nicht aus unserer Klimazone stammen. Damit bekommt der Körper, insbesondere im Winter, komplett falsche Signale. Am Äquator mag das funktionieren – ich denke jedoch (langfristig), nicht bei uns in Deutschland. Auch hier sind (bzw. waren) viele (teils junge) Menschen in Blogs und auf YouTube unterwegs – bis sie es auf einmal nicht mehr sind…
Krass wird es jedoch für mich, wenn zwei Podcaster bzw. Blogger immer wieder (isolierte und raffinierte) Zucker mit allen (auch den komplexen) KH gleichsetzten und dann noch die Pflanzenfette undifferenziert in die Pfanne hauen. Für Menschen mit wenig Hintergrund mag das alles plausibel klingen – wo bleibt jedoch hier der Inhalt, die Sachlichkeit und Verantwortung? Klar sind die raffinierten Pflanzenfette nicht gut – weil ungesättigte Fettsäuren eben schnell oxidieren. Und wer (auch tierisches) Fett (hoch) erhitzt, der hat es sowieso nicht verstanden – wo sind hier die Neuigkeiten? Deswegen wird ja auch empfohlen, vollwertig zu essen – also u.a. Leinsamen, Kürbis- und Sonnenblumenkerne, ganzer gegarter und nicht gebratener Fisch – anstatt die Öle und raffinierten Fette. Die (ungesättigten) Fette werden dann u.a. vom Mikrobiom aus den Ballaststoffen (der Pflanzen) im Darm gebaut – ganz einfach & ohne Oxidation. Aber z.B. Pflanzenfette mit ‚Ölen‘ und ‚Frittieren‘ gleich zu setzten, sowie Kohlenhydrate mit ‚Zucker‘, das ist für mich fern ab von seriös.
Nicht anders ist es meiner Ansicht nach bei Menschen, welche meiner Einschätzung nach eine Protein-Mast empfehlen (>= 1,6 g Protein pro Tag und Kg Körpergewicht) und keine Antwort darauf haben, was mit der metabolischen Belastung durch die Abbauprodukte des ‚Zuviels‘ an Protein passiert – wie z.B. Schwefelwasserstoff durch zu viel Methionin. Ausführliche Antworten habe ich auf diese Fragen auch in den zugehörigen Foren nie erhalten. Es scheint mir auch hier ein ‚Glauben‘ vorzuherrschen, der kritisches Hinterfragen und Wissen ersetzten soll. In meinem Artikel zu Protein & Aminosäuren habe ich ja versucht diese Frage etwas zu klären. Einen Geschmack bekommt es für mich dann, wenn hinter dem Blog & Co. auch noch ein Supplementeverkauf und eine Firma steht – was ich ja auch schon bei Dr. Gundry & David Asprey kritisch angemerkt habe. Am schrägsten finde ich es, wenn dann im zugehörigen Shop z.B. Resistente Stärke (ein Ballaststoff -> Kohlenhydrat) und Probiotika verkauft werden, um anscheinend den Darm (wieder) in den Griff zu bekomme, welchen man mit einer Mast von (meiner Ansicht nach zu viel tierischem) Protein und Fett aus dem Gleichgewicht geschossen hat. Krasser Wahnsinn…
Die Liste ließe sich jedoch hier sicher fast endlos fortsetzen… Mir gefallen da eher ein Dr. Greger, ein Dr. Esselstyn oder ein Dr. McDougal.
Was viele übersehen…
… ist, daß sich unsere Umwelt in den letzten 10, 20 und 40 Jahren auch ‚extremst‘ geändert hat, was ich mit meinem Alter >>40 Jahre bestätigen kann:
- EMF Belastung aus Mobilfunk, WLAN, DECT, Bluetooth, Stromleitungen, etc. pp. & Co.
- Gab es früher faktisch nicht – ‚bis auf‘ Stromleitungen, Radio und Fernsehen.
- Mehr (künstlicher) Sonnenschutz & weniger draußen (zumindest tendenziell).
- Ich kehre das seit ein paar Jahren wieder um – bin damit jedoch eher die Ausnahme.
- Kunstlicht mit viel Blauanteil: LED- und Energiesparlicht, Smartphones, Bildschirme, etc. pp.
- Ganz gruselig – unvergleichbar mit der Situation vor 30-40 Jahren.
- Ein üppiges Nahrungsangebot: Früher war der Speiseplan lokaler, saisonaler und einfacher.
- Südfrüchte, Kiwi, Melone, Dattel, Feige, etc. waren mal etwas ganz, ganz besonderes.
- Erdbeeren & Kiwis im Winter? Das ganze TK-Krams? Gabs gar nicht oder nicht in dem Ausmaß.
Und die vier Faktoren sind nur die Spitze des Eisberges – nach Dr. Jack Kruse jedoch essentiell in Bezug auf die ’neuen‘ Probleme die wir haben und die es vor 10, 20 oder 40 Jahren nicht gab. Diese Sachen betreffen tendenziell alle Ernährungsformen – weil drei davon reine Umweltfaktoren sind. Oft ändern Menschen mit mehr Bewusstsein in Bezug auf die Ernährung auch (schleichend) diese Faktoren…
Über all dies hinaus ist jedoch meiner Ansicht nach auch wichtig, wo man wohnt! Das, was an Äquator oder in Südeuropa funktioniert, muss nicht in Nordeuropa funktionieren (oder richtig sein). Woran denke ich? Gerade an die schon erwähnten Kiwis und Südfrüchte in unserem Winter…
Mein Fazit
Ich hoffe, daß ich mit diesem Artikel zum Nachdenken angeregt habe – egal welchem Konzept oder welcher ‚Food-Religion‘ der Leser (aktuell) folgen mag.
Letztendlich wissen wir nichts ‚ganz genau‘ und keine einzelne Ernährungsform bzw. kein statisches Konzept, welches wir Menschen uns erdenken, wird je optimal für alles, jeden und jede Situation sein – dafür spielen einfach schon zu viele genetische und Umweltfaktoren überall rein. Jedoch bin ich der Ansicht, daß wir zumindest bei einigen Dinge so viel Ahnung haben das hier klare Entscheidungen getroffen werden können – also insbesondere in Bezug auf das Weglassen und teils auch im Dazu- oder Annehmen von neuen Gewohnheiten (-> ‚3ZU‘).
Was auch klar sein sollte: Die Benennung der meisten Ernährungskonzepte nach den Makronährstoffen: ‚Low-Carb‘ (bzw. Keto), ‚High-Carb‘ oder dem (für mich) undifferenziertem Ausschluss von bestimmten Lebensmittel-Gruppen: ‚Vegetarier‘, ‚Vegan‘, ‚Rohkost‘, ‚Frukarier‘, ‚Carnivore‘, etc. vernachlässigen die unterliegende Komplexität der Biochemie. Bedeutet z.B. Low-Carb nun viel Fett oder Protein – anstatt der KH? Woher kommen die Fette & welcher Art sind diese? Wie viel Gemüse gibt es dazu – oder ist das egal? Auf welchem Breitengrad wohnt der Low-Carber? Isst er dann mehr Pflanzenöle, Fisch oder Schwein bzw. Rind mit Neu5Gc? Entscheidende Fragen über Fragen… die auch für alle anderen Konzepte und Religionen gelten.
Oft ist das entscheidend, was nicht offensichtlich ist. Für mich ist es wichtig, die Muster zu entdecken – also warum einige Dinge scheinbar besser funktionieren als andere und warum viele Studien teils so widersprüchlich sind.
Wer mehr wissen möchte über das was ich aktuell mache, der kann in diesem Beitrag stöbern. Da ist am Ende Licht und EMF ein Thema – etwas, was ganz viele Menschen noch ausblenden. Denn Licht (-> die Sonne) steht am Anfang – der Photosynthese und somit all unserer Nahrung! Somit möchte ich mit folgendem Zitat schließen:
„We live by a small trickle of electricity from the sun. The green of our garden, the algae in our water, the trees, grasses and herbs on our lands are the transforming agents that harvest the sun’s light via the process of photosynthesis. When we consume these foods, this stored sun energy is released into our bodies as electrons and protons; it is then transformed into ATP, adenosine triphosphate, the biological energy necessary for all cellular function.” – Szent Gyorgyi
Links/Quellen
- [1] The importance of dietary carbohydrate in the human evolution, Hardy K, Brand-Miller J, Brown KD, Thomas MG, Copeland L., Q Rev Biol. 2015 Sep;90(3):251-68.
- [2] Greenlandic Inuit show genetic signatures of diet and climate adaptation., Fumagalli M. et al., Science. 2015 Sep 18;349(6254):1343-7. doi: 10.1126/science.aab2319.
- Thus, the Inuit have genetic and physiological adaptations to a diet rich in PUFAs.
- [3] Warum Eskimos ketogen essen dürfen, DU aber nicht (PS: Es sind die Gene!), Silke Rosenbusch, 22.4.2018
- [4] Die Bedeutung von Kohlenhydraten in der menschlichen Evolution, Silke Rosenbusch, 26.4.2018
- [5] Stimulation of tumor growth in adult rats in vivo during an acute fast., Sauer LA, Nagel WO, Dauchy RT, Miceli LA, Austin JE., Cancer Res. 1986 Jul;46(7):3469-75.
- [6] Melanoma mutation likes fat for fuel; diet modulates effect in mice, Woodruff Health Sciences Center, Jan. 12, 2017
- [7] Prevention of Dietary-Fat-Fueled Ketogenesis Attenuates BRAF V600E Tumor Growth, Siyuan Xia et al., Cell Metabolism, Volume 25, Issue 2, p358–373, 7 February 2017
- [8] Enterotypes of the human gut microbiome., Arumugam M. e tal., Nature. 2011 May 12;473(7346):174-80. doi: 10.1038/nature09944. Epub 2011 Apr 20.
- [9] What’s Your Enterotype?, Nutritionfacts.org, Michael Greger M.D. FACLM, May 1st, 2018
- [10] What’s your Gut Microbiome Enterotype?, Video, Nutritionfacts.org, Michael Greger M.D. FACLM, December 11th, 2015 Volume 28
- [11] Linking long-term dietary patterns with gut microbial enterotypes., Wu G. et al., Science. 2011 Oct 7;334(6052):105-8. doi: 10.1126/science.1208344. Epub 2011 Sep 1.
- [12] Dietary fibre intake and risk of cardiovascular disease: systematic review and meta-analysis, Diane E Threapleton, et al., BMJ 2013;347:f6879
- [13] Health effects of the carnivore diet (Interview mit Dr. Paul Saladino), Dr. Joseph Mercola, July 07, 2019
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